Der FC Bayern sendet mit dem Kantersieg gegen Tottenham Hotspur klare Signale an die Konkurrenz, Serge Gnabry erlebt einen denkwürdigen Abend. Der Rekordmeister sollte den Erfolg gegen die Spurs aus verschiedenen Gründen aber auch richtig einordnen.

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Am Ende wurde er dann doch noch erwischt. Die Bayern-Spieler feierten vor ihren mitgereisten Fans, als Niklas Süle plötzlich die ganz grobe Kelle auspackte und Serge Gnabry einfach so umgrätschte.

Schön von hinten, in bester Kreisligamanier. Ein etwas herberer Spass am Ende eines sehr spassigen Abends für die Bayern und Serge Gnabry. "Er hat sich dafür revanchiert, weil ich ihm beim Jubel auf den Hinterkopf geschlagen habe. Wir haben einfach immer Spass, zum Glück aber hat er mich nicht verletzt", sagte Gnabry und natürlich war auch das nicht ganz ernst gemeint.

Sein eigener Mitspieler war damit der einzige, der Gnabry im Tottenham Hotspur Stadium hatte stoppen können. Den Spielern des Gegners war das nicht gelungen, Gnabry erzielte vier Tore, die Bayern siegten sieben zu zwei gegen die Spurs, bei denen zum Ende dieser denkwürdigen Partie alle Systeme kollabierten.

Sieben Gegentore hatten die Londoner nie zuvor in ihrer Klubgeschichte in einem Heimspiel kassiert. Die Spurs seien vom "deutschen Giganten umgehauen worden", schrieb die "Sun", was die Kräfteverhältnisse der zweiten Halbzeit sogar nur unzulänglich beschreibt.

Signal an die Konkurrenz

Die Bayern zerstörten Tottenham in einer ungeahnten Art und Weise, angeführt von einem, der einst beim grossen Rivalen ausgebildet wurde. Als ehemaliger Gunner war es für Gnabry eine besondere Genugtuung, die Spurs auf die schlimmste erdenkliche Art zu demütigen.

Vor der Partie hatte der Nationalspieler noch kein einziges Tor in der Königsklasse erzielt. Und dann gleich ein Viererpack. "Vielleicht habe ich in der F-Jugend mal vier Tore geschossen. Es ist auf jeden Fall ewig her. Ich habe eine Saison auf mein erstes Tor in der Champions League gewartet. Aber dass ich heute gleich vier schiesse, das habe ich mir vorher nicht erträumt", sagte Gnabry nach dem Spiel bei DAZN.

Ein Doppelpack von Robert Lewandowski, der nun nach zehn Pflichtspielen in dieser Saison bei sagenhaften 14 Treffern steht und ein Tor von Joshua Kimmich, der selbstbewusst genug vor der Partie Forderungen aufgestellt und diese mit seiner Leistung untermauert hatte, führten zum Kantersieg der Bayern, der zu diesem frühen Zeitpunkt der Champions-League-Saison auch als ein deutliches Signal an die Konkurrenz verstanden werden darf.

Kovac überrascht mit seiner Aufstellung

"Ich möchte erst einmal alle hervorheben: Das war eine Sternstunde der gesamten Mannschaft", sagte Trainer Niko Kovac bei DAZN. "Aber natürlich ganz besonders für Serge. Wirklich ganz fantastisch. Er hat heute das gezeigt, was ich von ihm erwarte."

Was von Kovac erwartet wurde, war vor der Partie auch ziemlich klar: Weder gegen Ajax in der Gruppenphase, noch gegen den FC Liverpool in der K.-o.-Phase der letzten Saison konnten seine Bayern, konnte Kovac, einen Sieg einfahren.

Die Partie in London gegen den Vorjahresfinalisten war deshalb auch mit einigermassen grosser Spannung erwartet worden, zumal die Bayern in der Bundesliga zuletzt zwar Ergebnisse einfuhren, aber immer mal wieder auch zittern mussten. Und deshalb ist dieser überzeugende Erfolg über einen der Grossen Europas auch für Kovac sehr wichtig.

Der Trainer war ein gewisses Risiko eingegangen mit seiner Aufstellung. Thiago sass gegen die Spurs zunächst nur auf der Bank, was einigermassen verwunderlich war: Gegen eine bärenstarke Pressingmannschaft wie die Spurs in deren Stadion auf der Sechserposition seinen mit Abstand ballsichersten Spieler draussen zu lassen, war zumindest gewagt.

Dafür durfte Corentin Tolisso beginnen, der nach einer Viertelstunde den Ball vor dem eigenen Strafraum verlor und den Gegner förmlich zum Führungstreffer einlud.

Thiago war der Schlüssel

Tottenham lag nicht nur 1:0 in Front, sondern war in den ersten 30, 35 Minuten auch die klar bessere Mannschaft. Es gehört wie die sieben Tore der Bayern auch zur Wahrheit, dass die Münchener zur Pause gut und gerne 1:3 hätten zurückliegen können.

Stattdessen stand es zur Verwunderung der meisten Beobachter 2:1 aus Bayern-Sicht. "Wir sind relativ glücklich in die Pause gekommen mit einem 2:1. Das hat nicht so ganz den Spielverlauf der ersten Halbzeit wiedergegeben", gab Kimmich bei Sky unumwunden zu und untertrieb dabei sogar noch.

Manuel Neuer, der sich mit Tottenhams Heung-min Son ein regelrechtes Privatduell lieferte und die Bayern mit starken Paraden vor zwei, drei weiteren Gegentoren bewahrte, sah es ähnlich. "Wir waren in der ersten Halbzeit nicht dominant. Da hatte Tottenham die ein oder andere gute Chance und hätte zur Pause führen können", sagte der Kapitän, fügte dann aber die entscheidenden Nachsätze noch an:

"Aber wir sind zur zweiten Halbzeit cooler rausgekommen und haben es dann gut gemacht. Die Spieler, die hereingekommen sind, haben Ruhe reingebracht, so dass wir ein besseres Positionsspiel hatten. Und unsere Offensiven hatten dazu einen super Tag."

FC Bayern München

Champions League: Die Rekordsiege des FC Bayern München in der Fremde

Mit einem 7:2 fegt der FC Bayern München über die White Hart Lane in London und demütigt Gastgeber Tottenham Hotspur in der Gruppenphase der Champions League. Ein Sieg für die Geschichtsbücher, aber nicht der höchste in der CL-Historie des Deutschen Meisters.

Der eine entscheidende Wechsel war der, mit dem sich Kovac quasi selbst korrigierte. Oder besser: korrigieren musste. Der angeschlagene David Alaba musste zur Pause in der Kabine bleiben, Kovac brachte dann doch Thiago und zog Kimmich auf die Position des rechten Verteidigers zurück.

Thiago war es, der Tottenhams Defensive fortan mit seinen Pässen förmlich in tausend Teile zerschnitt. Und vorne verwandelten Gnabry und Lewandowski alle sich bietenden Chancen kühl wie selten zuvor. Im Prinzip war jeder Schuss der Münchner auf das gegnerische Tor ein Treffer. "Der zweite Durchgang war phänomenal. Tottenham hat uns einiges angeboten, wir haben das dann knallhart ausgenutzt", sagte Kimmich.

Tottenham schon seit Monaten neben der Spur

Es waren Bayerns Individualisten, die einen Gegner auseinanderschraubten, bei dem sich in der Schlussphase das ganze Leid der letzten, schwierigen Wochen kumulierte. Die Spurs laufen eigentlich seit dem Frühjahr schon neben der Spur, der Einzug ins Champions-League-Finale hat so manches übertüncht.

Der Trend ist eindeutig rückläufig, weswegen man den Kantersieg der Münchner richtig einordnen sollte: Seit dem Weiterkommen bei Borussia Dortmund Anfang März gab es in 27 Spielen nur noch acht Siege, dafür aber 13 Niederlagen. In der Liga beträgt der Rückstand auf die Spitze nach lediglich sieben Spieltagen schon zehn Punkte, im Ligapokal flog Mauricio Pochettinos Team bei Viertligist Colchester United raus. Was vielleicht einen anderen Erklärungsansatz liefert für diese grauenhafte zweite Halbzeit aus Sicht der Spurs.

"Zeugen eines denkwürdigen Abends"

Den Bayern war das alles egal. Sie haben ihren grossen, aussergewöhnlichen Sieg, den sie nach den zumindest leisen Debatten in den letzten Wochen gebraucht haben. "Wir haben nachhaltig bewiesen, dass wir durchaus in der Lage sind, eine Top-Mannschaft der Premier League zu besiegen", sagte Karl-Heinz Rummenigge beim Bankett der Bayern im noblen Hotel "Courthouse".

"Wir waren Zeuge eines denkwürdigen Abends, unsere Mannschaft hat Geschichte geschrieben." Auserzählt wäre diese Geschichte aber erst im kommenden Mai, beim Finale in Istanbul. Bis dahin ist es noch ein sehr weiter Weg und es dürfte klar sein, dass noch ganz andere Gegner auf die Bayern warten als diese darbenden Spurs.

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