Im immer dichteren Terminkalender des Fussballs überlappen sich in diesem Sommer die EM und die Klub-WM. Was bedeutet das für das Turnier in der Schweiz? Vor Ort im Alpenland ist die Vorfreude gross. Mal wieder geht es auch um Entwicklung und Nachhaltigkeit des Frauenfussballs.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wie sähe wohl derzeit eine Strassenumfrage dazu aus, welches Turnier Passant*innen einfällt, wenn sie an diesen Fussballsommer denken? Mutmasslich würden die Klub-WM der Fifa und womöglich auch die U21-EM der Junioren besser abschneiden als das eigentlich Turnier des Sommers: Die EM in der Schweiz.

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War es in der Vergangenheit üblich, dass sich die grossen Turniere der Frauen und Männer in Sachen A-Teams nicht in die Quere gekommen sind, so hat Fifa-Boss Gianni Infantino dies mit seinem Prestigeobjekt aufgekündigt. Das hat Konsequenzen, weil Aufmerksamkeit eben nur einmal vergeben werden kann. Auch wenn Uefa-Offizielle das Thema höflich umschiffen und betonen, sich auf das eigene Turnier fokussieren zu wollen: Begeistert ist niemand.

Die Schweiz freut sich auf ein grosses Fussballfest

Was hilft? Ganz pragmatisch das zu tun, worauf kickende Frauen von Beginn an spezialisiert sind: Das eigene Ding durchzuziehen und sich eben selbst in den Mittelpunkt zu rücken. In der Schweiz ist dieser Ansatz zu spüren. Wer beispielsweise in Zürich aus dem Bahnhof tritt, stösst fortan überall auf kleine und grosse Hinweise, dass da etwas Famoses im Gange ist – und, dass die Schweiz bereit ist dafür, das Turnier und die Spielerinnen zu zelebrieren.

Das vermittelt nicht nur eine der grossen Fan-Zones direkt an der Europaallee, die bei hohen Temperaturen den letzten Schliff bekommt. In Zürich ist ausserdem die Themenführung über "Starke Frauen" der Stadt extra zur EM um einige sportliche Pionierinnen erweitert worden, darunter Trudy Streit. Sie war 1968 Mitbegründerin des Damenfussballclubs Zürich (DFC), der erste Frauenfussballclub also, der auch vom Schweizer Verband anerkannt wurde.

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Die Erwartungen sind riesig – wie immer

Längst sind auch die Fans angereist, die vorm Anpfiff des ersten Spiels noch die Stadt erkunden – und dabei neben zwischenzeitlicher Abkühlung im See ihre Fussball-Tourist*innen-Selfies am überdimensionierten EM-Ball machen. Die Vorfreude ist überall spürbar. Gleichzeitig sind die Erwartungen an das Turnier schon jetzt riesig. Nach der so erfolgreichen EM 2022 in England wird die nun startende in der Schweiz mit Erwartungen schier überfrachtet.

Der Fussball der Frauen hat sich mit Unterbrechungen und gegen Widerstände entwickelt, auf ein Hoch wie das vor drei Jahren in England folgt deswegen regelmässig Enttäuschung, dass es anschliessend in den heimischen Ligen nicht explosionsartig weitergeht. Dabei ist organisches Wachstum viel nachhaltiger und unrealistische Erwartungen helfen nicht weiter.

Sichtbarkeit, Vernetzung und Mut, Dinge einzufordern

Wichtig wäre, endlich fernab der Turniere stetig zu investieren, fördern und Aufmerksamkeit zu schaffen. Letzteres hat sich "Fussball kann mehr Schweiz" auf die Fahnen geschrieben. Gegründet nach dem deutschen Vorbild – wobei der Fokus hierzulande stärker auf Frauen im Fussball liegt, in der Schweiz mehr auf Frauenfussball, was sich letztlich trefflich ergänzt – setzt FKM auf Sichtbarkeit, Vernetzung und Mut, Dinge einzufordern.

Mit einem Kick-Off-Forum zur EM wurde das sicht- und hörbar gemacht. Co-Präsidentin Lara Dickenmann, künftig Nachwuchschefin des VfL Wolfsburg, betonte den Wert der Vernetzung, insgesamt positionierte sich der Fussball der Frauen sehr selbstbewusst als eigenständig und in Abgrenzung von dem der Männer. Und das trotz wirtschaftlicher Ver- und Anbindungen, die nicht kleiner werden mit den Einstigen von Männerbundesligisten in die Ligen der Frauen.

Sehr klar brachte Tatjana Haenni, derzeit Chefin der US-Liga NWSL, denn auch auf den Punkt, was der Indikator dafür ist, wie ernst die Vereine ihre Frauenabteilung nehmen: Wie viel Geld sie investieren. Was nach Vereinfachung klingt, trifft letztlich den Kern, denn nur von Liebe und Begeisterung wird sich der Fussball der Frauen nicht dauerhaft entwickeln können. Eine EM mit vielen Besucher*innen und Strahlkraft ist ausserordentlich wichtig. Ankommen wird es im Anschluss darauf, ob die heimischen Ligen ihre Hausaufgaben machen.