Fussballerin Alisha Lehmann ist ein Social-Media-Star, auf dem Platz läuft es für die Schweizerin aktuell aber weniger rund. Die 26-Jährige bangt sogar um die Teilnahme an der Heim-EM im Sommer.

Ein Porträt
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Lange blonde Haare, extravagante Fingernägel und reichlich Makeup: Fussballprofi Alisha Lehmann sticht bei Spielen immer wieder aus der Masse heraus. So gut wie immer sieht man die Schweizerin perfekt gestylt, sowohl auf als auch neben dem Platz.

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Die 26-jährige Lehmann bewies in den vergangenen Jahren eindrucksvoll, wie es gelingen kann, zwei äusserst erfolgreiche Karrieren nebeneinander am Laufen zu halten.

Alisha Lehmann: Profifussballerin und Social-Media-Star

Zum einen ist da die Fussballerin Lehmann, die jahrelang in der starken Women's Super League in England spielte, im vergangenen Sommer zu Top-Klub Juventus Turin wechselte und zudem bereits auf 57 Spiele für die Schweizer Nationalmannschaft kommt.

Zum anderen ist Lehmann jedoch auch ein Social-Media-Star, eine Person des öffentlichen Lebens, wie es sie in dieser Form im Fussball der Frauen kein zweites Mal gibt. Knapp zwölf Millionen Follower hat sie auf Tiktok, 16,6 Millionen sind es sogar bei Instagram. Ihre Taktung auf den beiden Kanälen ist gewaltig, regelmässig versorgt sie ihre Millionen Fans mit neuen Fotos und Videos.

Der Clou dabei: Nicht immer geht es dabei ausschliesslich um den Fussball. So sieht man sie beispielsweise auch beim Herumalbern mit Teamkolleginnen in der Stadt oder (natürlich perfekt zurechtgemacht) Zuhause oder im Urlaub.

Lehmann ist beliebtes Werbegesicht auf Social Media

Zudem ist Lehmann als Team-Kapitänin auch Teil der Kleinfeldliga Baller League. Die Kleinfeldliga, die mittlerweile auch in Deutschland Fuss gefasst hat, ist eine Symbiose aus Fussball und Social Media, so werden die Spieltage beispielsweise im Online-Livestream übertragen – da liegt es nahe, dass die Macher Social-Media-Star Lehmann als Gesicht des Fussball-Formats haben wollten.

Alisha Lehmann
Alisha Lehmann ist Kapitänin eines Teams der Baller League. © picture alliance/empics/Jack Hall Media Assignments

Bei vielen Beiträgen Lehmanns handelt es sich um Werbe-Posts, so ist sie unter anderem "Botschafterin" der italienischen Kleidungs- und Unterwäschemarke Tezenis. Daneben ist sie auch Werbegesicht für das Sportgetränk "Prime" der beiden Social-Media-Grössen KSI und Logan Paul.

Mit Kooperationen wie diesen und ihren Millionen Followern hat sich Lehmann mit ihrer Social-Media-Präsenz längst ein zweites - deutlich lukrativeres - Standbein neben dem Profifussball aufgebaut.

Allerdings wird die 26-Jährige immer wieder Ziel von Kritik. Der Vorwurf: Die Schweizerin würde sich zu sehr auf Instagram und Co. und zu wenig auf das Fussballspielen konzentrieren.

"Alisha hat mich in der Nati zuletzt wenig überzeugt."

Ex-Nationalspielerin Lara Dickenmann

Eine der prominentesten Kritikerinnen in diesem Zusammenhang ist die Schweizer Fussball-Legende Lara Dickenmann, die ihre Karriere 2021 beendet hatte. "Als Profi muss man die ganze Energie für Training und Spiel aufbringen. Das ist ein 100-Prozent-Job. Die Zeit neben dem Rasen widmet man der Erholung, dem Krafttraining und der richtigen Ernährung", sagte sie kürzlich im "Blick"-Podcast "Forza!", als sie auf Lehmann angesprochen wurde.

Ihr zufolge beeinträchtige Instagram die fussballerische Leistung. Das sehe man auch bei Lehmann: "Alisha hat mich in der Nati zuletzt wenig überzeugt. Sie ist zwar schnell, aber es schaut in der Regel wenig dabei heraus." Dickenmann könne es sich nicht vorstellen, dass sich ihre Arbeit als Influencerin mit ihrem Leben als Fussballprofi vereinbaren lasse.

Lehmann mit magerer Torbilanz bei Juventus Turin

Kritiker von Lehmanns Social-Media-Aktivitäten dürften sich angesichts der vergangenen Wochen und Monate bestätigt fühlen. Denn bei Juventus Turin war Lehmann in ihrer Debütsaison häufig nur Einwechselspielerin. Ihre recht magere Bilanz bisher: Zwei Tore in 22 Pflichtspielen für die "Alte Dame".

Die Juve-Frauen wurden am Ende dennoch Meisterinnen – und auch im Rahmen der Feierlichkeiten prasselte immer wieder Kritik auf Lehmann ein. Sie würde sich zu wichtig nehmen und habe doch gar nicht so einen grossen Anteil am Titel gehabt. Auch dass sie bei der Party auf dem Platz nach dem Feststehen der Meisterschaft Vortänzerin vor den Fans war, stiess vielen Beobachtern sauer auf.

Alisha Lehmann
Alisha Lehmann als Vortänzerin bei den Meisterfeierlichkeiten der Juve-Frauen. © IMAGO/Gribaudi/ImagePhoto

Kritik ist für Lehmann nichts Neues, nur geht sie mittlerweile anders damit um, wie sie kürzlich im Interview mit "20Minuten" erklärte: "Früher hat es mich wirklich gestört. Ich habe nicht verstanden, was das Problem ist. Mittlerweile bin ich aber älter geworden und es ist mir egal. Ich finde die ganze Kritik sogar lustig", sagte sie. Kritik gebe es ihrer Meinung nach immer: "Egal, was ein Mensch macht – von irgendjemandem kommt immer Kritik."

"Und wenn mich jemand für mein Make-up kritisiert, nehme ich halt extra den dunklen Lippenstift, dass sie noch mehr zu reden haben."

Alisha Lehmann über ihre Kritiker

Lehmann kennt mittlerweile das Spiel mit Kritikern und Hatern auf Social Media, immer wieder provoziert sie auch bewusst – und polarisiert unter anderem dadurch wie keine andere Spielerin im Profifussball der Frauen: "Ich habe so das Ding, dass ich Sachen nochmals extra mehr mache, wenn ich für etwas kritisiert werde. Und wenn mich jemand für mein Makeup kritisiert, nehme ich halt extra den dunklen Lippenstift, dass sie noch mehr zu reden haben", sagte Lehmann dazu.

Dennoch, Lehmann bleibt in erster Linie Profifussballerin – und da läuft es vor allem in der Schweizer Nationalmannschaft aktuell nicht gut für sie. Zuletzt wurde die Offensivspielerin von Trainerin Pia Sundhage gar nicht mehr nominiert. "Es hat mich sehr getroffen, wenn ich ehrlich bin. Ich war sehr enttäuscht", sagte Lehmann über das Fehlen im Aufgebot der Nati: "Ich habe mich so gefreut, meine Teamkolleginnen zu sehen und für die Schweiz zu spielen und die Fans zu sehen."

Fussball-EM in der Schweiz – mit oder ohne Lehmann?

Für Lehmann drängt die Zeit, denn im Juli findet die Europameisterschaft statt – ausgerechnet in der Schweiz. Auch wenn sie aufgrund mangelnder Leistungen zuletzt nicht mehr nominiert wurde, gibt Lehmann nicht auf und will um einen Kaderplatz kämpfen, um beim Heimturnier dabei zu sein: "Ich bin jemand, der nie aufgibt. Ich trainiere sehr hart und gebe alles dafür, dass ich schlussendlich aufgeboten werde."

Dabei stellt sich auch die Frage: Kann die Schweiz bei der EM überhaupt auf Lehmann verzichten? Nicht unbedingt aus sportlicher, sondern vielmehr aus marketingtechnischer Sicht. Die 26-Jährige wäre mit ihrer Social-Media-Präsenz ein ungemein grosses Zugpferd, um das Turnier und den Fussball der Frauen an sich vor allem bei einer jüngeren Zielgruppe (noch) präsenter zu machen. Doch ob sich Trainerin Sundhage und der Verband alleine deshalb darauf einlassen werden? Wohl eher nicht.

Lehmann hat massive Social-Media-Schlagkraft

Dennoch liegt die Frage selbstredend auf der Hand – und das schafft im Fussball der Frauen aktuell wohl nur Lehmann. Um ihre Follower-Zahlen einmal in Relation zu setzen: Bayern-Star und DFB-Kapitänin Giulia Gwinn, die zu den bekanntesten Fussballerinnen Deutschlands gehört, folgen bei Instagram "nur" 631.000 Menschen. Lehmann hat also rund 16 Millionen Follower mehr.

"Alisha Lehmann ist sicherlich ein Glücksfall. Frauenfussball geniesst leider bis heute noch nicht dieselbe Popularität wie Männerfussball. Einzelne Persönlichkeiten zu haben, die die Bekanntheit und die Beliebtheit des Sports fördern, ist gut und wichtig", erklärte Marketing-Expertin Viktoria Weber zuletzt im Gespräch mit "20Minuten". Gleichzeitig stellte sie aber auch klar: "Beim Spitzensport sollten aber stets die sportlichen Leistungen an erster Stelle stehen."

Fussballerin und Social-Media-Star Sollte Alisha Lehmann für die Heim-EM in der Schweiz nominiert werden?
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Wohl auch deshalb deutet aktuell vieles darauf hin, dass Sundhage Lehmann nicht für die EM nominieren wird, zu unauffällig verlief die Saison der 26-Jährigen bei Juventus Turin. Eines der bekanntesten Gesichter der Sportart würde damit bei einem der grössten Turniere überhaupt fehlen. Welche Bedeutung das für den Fussball der Frauen hat, liegt am Ende wahrscheinlich im Auge des Betrachters.

Verwendete Quellen