Louis Vuitton hat zuletzt eine Kooperation mit Real Madrid bekanntgegeben. Warum macht sich die Luxusmodemarke plötzlich im Fussball breit? Welche Zielgruppe soll damit adressiert werden? Wir haben mit einem Experten über die Hintergründe gesprochen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Wenn Jude Bellingham mit Louis-Vuitton-Tasche aus dem Mannschaftsbus von Real Madrid steigt, dann geht es längst nicht mehr nur um Mode, sondern um Marktanteile. Denn die französische Luxusmarke mischt nun auch im Weltfussball mit und sucht sich dafür gezielt die grössten Bühnen: Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Bellingham - und jetzt auch Real Madrid. Doch eine Luxusmarke und der Volkssport Fussball - wie passt das zusammen?

Seit ein paar Jahren immer besser, denn die Überschneidung von Sport und Lifestyle hat sich in der Zeit weiter verstärkt. Was für Modemarken zum Beispiel die halbjährlichen Kollektionen sind, ist das Trikot zur neuen Saison für den Verein. Und der Fussball hat sich in den vergangenen Jahren so verändert, dass er Marken wie Louis Vuitton eine passende Einstiegsmöglichkeit bietet.

"Fussball ist nicht nur ein sportliches, sondern inzwischen auch ein kulturelles Phänomen, bei dem es nicht mehr nur bedeutend ist, wie das Spiel ausgegangen ist, sondern was die Stars in ihrer Freizeit machen und auch, was sie tragen", sagt Sport-Ökonom Dr. Christoph Breuer im Gespräch mit unserer Redaktion.

Sportler als echte Stil-Ikonen

Die Sportler sind nicht nur Athleten, sondern echte Stil-Ikonen. "Deshalb hat über die letzten Jahre verstärkt eine Annäherung zum Umfeld der Luxusindustrie stattgefunden. Dass verschiedene Marken nun Ausstatter und Sponsor werden, ist sozusagen der formal nächste, aber auch konsequente Schritt", sagt Breuer.

Denn der Sport diente schon immer als kultureller Hebel für Marken wie Louis Vuitton, ob nun im Tennis, Golf oder Segeln. "Louis Vuitton hatte schon immer punktuelle Verbindungen zum Sport", erklärte Sportbusiness-Berater Daniel-Yaw Miller in der "New York Times". "Trophäenkoffer, limitierte Editionen – das war oft symbolisch. Doch vor ein paar Jahren hat der Mutterkonzern LVMH beschlossen: Sport wird der zentrale kulturelle Hebel der Marke", sagte Miller.

Die Schritte wurden weiter behutsam ausgewählt, strategisch sind es aber bedeutsame. 2024 waren die Italiener Premiumsponsor der Olympischen Spiele, dazu ist man auch Hauptsponsor der Formel 1. Nun erfolgt der "Grossangriff" im Fussball. "Wenn man auf der globalen Bühne auftauchen will, führt kein Weg am Fussball vorbei", betonte Miller.

Eine neue Zielgruppe für Louis Vuitton

Die Kommerzialisierung und die Eventisierung des Sports haben nämlich dazu geführt, dass bei den Spielern und in deren Umkreis viel Geld verfügbar ist. "Gleichzeitig nutzt die Luxusindustrie die globale Aufmerksamkeit für Fussballstars und Fussballmarken, um die kulturelle Relevanz ihrer eigenen Produkte in den Mittelpunkt zu stellen und auch deren Reichweite und Sichtbarkeit zu nutzen", weiss Breuer.

Im konkreten Fall von Louis Vuitton hat Real Madrid eine enorme globale Strahlkraft, ein riesiges sportliches Prestige und Spieler mit enormer Markenpräsenz wie Bellingham, aber auch Kylian Mbappé oder Vinicius Jr.. Und so wird am Ende nicht nur kulturelle Relevanz, sondern auch ein neuer Käuferkreis gewonnen.

Darum ist der Käuferkreis übersichtlich

Der ist allerdings vergleichsweise übersichtlich, denn Louis Vuitton ist nicht bei Real Madrid eingestiegen, um die breite Fankurve für sich und das eigene Portfolio zu gewinnen, sondern "die gut bezahlten Personen in den Klubs, also Spieler, Trainer, Agenten beispielsweise, aber auch die doch recht vermögenden Menschen in den Business-Bereichen der Vereine", sagt Breuer.

Das ist nicht ungewöhnlich, denn es ist das klassische Geschäftsmodell der Luxusindustrie: Exklusivität durch Verknappung. Klasse statt Masse. Dass die Umsätze und Margen von Louis Vuitton allerdings stagnieren, ist eine Herausforderung der Gegenwart, weshalb die Suche nach neuen Zielgruppen Pflicht für das Unternehmen ist.

Gleichzeitig kümmern sich die Marken so auch um den Nachwuchs, um die Generation Z. Markenaffine Fans, die nicht nur den Klubs, sondern vor allem den Superstars wie Bellingham in den sozialen Medien folgen. Und die sind das neue Schaufenster für Louis Vuitton und Co. "Der Sport und insbesondere der Fussball vermarkten sich zunehmend über die sozialen Medien, weshalb man als Marke entsprechend mit am Start sein und mit berücksichtigt werden will", sagt Breuer.

Einzelne Pioniere haben den Weg für sich entdeckt

Diesen Weg haben bislang aber lediglich einzelne Pioniere für sich entdeckt. Vor allem italienische Marken betreiben das Crossover am konsequentesten, erklärt Breuer. Wobei es aus strategischer Sicht nicht für jede Modemarke automatisch interessant ist, in diesen Markt zu investieren.

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Es wirkt ohne Frage ambivalent, wenn Luxus auf Fussball trifft und Vereine Sponsoren haben, deren Artikel sich nur ein kleiner Teil der Anhänger leisten kann. Es wird aber wohl nicht passieren, dass sich der Sport durch die eher überschaubare Verbindung zur Luxusmode von den Fans weiter entfremdet. Breuer geht davon aus, "dass es aufgrund der begrenzten Grösse des Luxusmarktes ein überschaubares Phänomen bleiben wird. Zum anderen wird es eben nie ein Massenphänomen werden, weil für die Luxusmarken tatsächlich nur die Top-Adressen im Fussball und auch nur die Superstars von Interesse sind".

In der Regel ist es sowieso so, dass die Engagements nicht mit dem Holzhammer platziert werden, sondern absichtlich weniger auffallen. Mit Bildern, die im Kopf bleiben. Im Fachjargon nennt sich das "Below-the-Line-Kommunikation": Eine unterschwellige Botschaft, die aber deswegen besonders wirkungsvoll ist. Wenn Bellingham also mit der Louis-Vuitton-Tasche aus dem Mannschaftsbus steigt, ist das ein subtiles Statement. In seiner Wirkung ist es aber oft erfolgreicher als jede Bandenwerbung.

Über den Gesprächspartner

  • Dr. Christoph Breuer ist Leiter des Instituts für Sportökonomie und Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule Köln. Das international ausgerichtete Institut beschäftigt sich mit Fragestellungen, die an den Schnittstellen des Sports mit der Wirtschaftswissenschaft angesiedelt sind.

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