Thomas Müllers Wechsel in die USA könnte der MLS neuen Glanz verleihen. Er selbst sollte aber nicht so tun, als seien die USA eine sportliche Herausforderung.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Thomas Müller macht es wie viele vor ihm: Er verlängert seine Karriere in der MLS. Nach 756 Spielen, 250 Toren und 34 Titeln beim FC Bayern sucht der 35-Jährige eine neue Herausforderung im Ausland. "Ich liebe die Fussball-Bühne und auch den Druck, Leistung zu bringen", sagt er im ZDF. Doch genau dieser Druck wird in Los Angeles, seinem wahrscheinlichen neuen Arbeitgeber, ein anderer sein.

Die MLS ist keine Champions League. Sie ist nicht einmal Europa League. Was Thomas Müller dort erwartet, ist bestenfalls gehobene Unterhaltung mit WM-Perspektive. Der Weltmeister von 2014 argumentiert selbst mit dem Turnier 2026 in den USA, Kanada und Mexiko. Ein nachvollziehbares Motiv für einen Spieler, der seine internationale Karriere bereits beendet hat.

Der Wechsel fügt sich nahtlos in den Trend europäischer Stars ein, die ihre Laufbahn in Nordamerika ausklingen lassen. Die MLS-Saison läuft von Februar bis Dezember, die Playoffs sind ein Spektakel, die taktische Qualität bleibt überschaubar. Das ist keine Abwertung, sondern eine nüchterne Einordnung des Niveaus.

Müllers Entscheidung ist keine sportliche

Müller weiss das. Seine Entscheidung ist keine sportliche, sondern eine biografische. Nach 17 Jahren beim FC Bayern will er etwas Neues erleben, bevor der Körper endgültig Nein sagt. Das ist legitim, sogar sympathisch. Nur sollte niemand so tun, als ginge es dabei primär um Leistungsdruck. Es geht um einen gut bezahlten Lebensabschnitt in Kalifornien. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Er selbst sollte halt nur nicht so tun, als seien die USA eine sportliche Herausforderung. Soccer ist in Übersee Entertainment: Man sieht an Lionel Messi bei Inter Miami, dass ein MLS-Klub für den Vorruhestand das perfekte Umfeld bietet. Alles ein bisschen langsamer, ein bisschen gemütlicher, aber umso krachender in der Lautstärke, wenn Marketing und Fernsehen dabei sind.

Nur eine Zwischenstation?

Thomas Müller wird sich dort wohlfühlen, aber hoffentlich nicht vergessen, dass die Dienstreise endlich und nur Zwischenstation ist. Wir wollen ihn beim FC Bayern wiedersehen. In welcher Funktion? Keine Ahnung! Aber Bayern ohne Müller das ist nicht auf Dauer vorstellbar.

Auch der andere grosse Müller, Bomber Gerd Müller, ging Ende der 70er Jahre in die USA, genauer: nach Fort Lauderdale in Florida. Er hatte da eine schöne Zeit verbracht, ein paar Törchen geschossen und kehrte rechtzeitig und auch aus gesundheitlichen Gründen zum FC Bayern zurück.

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So muss es auch bei Thomas Müller laufen: Abstand gewinnen, berufliche Dinge sortieren und dann zurück. Einen besseren Botschafter werden die Bayern kaum finden.

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fussball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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