Zwei Tage nach dem überraschenden Trainerwechsel beim FC Bayern München nahm Sportvorstand Hasan Salihamidzic am "Doppelpass" von Sport1 teil und lieferte interessante Einblicke in den Entscheidungsprozess.

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Niemand kann Hasan Salihamidzic vorwerfen, er würde sich nicht den Fragen der Öffentlichkeit stellen. Am Freitag gab der FC Bayern München bekannt, dass Trainer Julian Nagelsmann freigestellt wird und Thomas Tuchel dessen Nachfolge übernimmt. Am Samstag fand die Pressekonferenz mit Salihamidzic, Vereinsboss Oliver Kahn sowie Tuchel statt.

Und am Sonntag? Da setzte sich Salihamidzic auch noch in den "Doppelpass" von Sport1, um erneut ausführlich über den Trainerwechsel zu sprechen. Allzu viel Freude dürfte ihm das allerdings nicht bereitet haben. Er wirkte angespannt, als er das Studio betrat.

Gleich zu Beginn wurde er von Moderator Florian König mit der Aussage von Joshua Kimmich konfrontiert, dass es im Fussball-Geschäft "wenig Liebe" und "wenig Herz" gebe. Die Reaktion von Salihamidzic: "Ja, natürlich ist das eine harte Entscheidung gewesen, eine schwere Entscheidung, auch für mich, weil man mit Julian Nagelsmann auch ein sehr, sehr gutes Verhältnis hatte. Aber die Leistung hat nicht mehr gestimmt. Deswegen mussten wir die Entscheidung treffen."

"Die Leistungen waren ungenügend"

Ein weiterer Aspekt: Kimmich hatte klargestellt, dass Nagelsmann "nicht die Kabine verloren hat", es also kein schlechtes Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft gegeben habe. "Ja, absolut richtig", antwortete Salihamidzic. "Auch Leon Goretzka hat etwas dazu gesagt. Haben wir einen Top-Trainer gehabt? Ja! Haben wir einen Top-Kader? Ja. Aber die Leistungen waren ungenügend. Und das würde er auch bestätigen, wenn er hier sitzen würde."

Dennoch blieb die Frage, ob vielleicht andere Aspekte mit in die Entscheidung hineingespielt haben als nur die sportlichen Ergebnisse. "Das Sportliche war das Wichtigste", wischte der Sportvorstand mögliche Spekulationen weg. "Wir haben immer wieder Probleme gehabt, immer wieder Ausfälle gehabt, schlechte Phasen gehabt. Wenn die Leistungskurve nach unten geht, muss man eine Entscheidung treffen."

Salihamidzic weiss: "Die Entscheidung ist nicht populär"

Salihamidzic weiss, dass viele Fans des FC Bayern den Trainerwechsel kritisch betrachten. "Die Entscheidung ist natürlich nicht populär. Aber wir haben diese Entscheidung für den FC Bayern getroffen", stellte er klar.

Doch ist es wirklich die richtige Entscheidung? Salihamidzic gab zu, die Ursache der zuletzt schwankenden Leistungen selber nicht so genau zu kennen. "Wenn man ganz genau wüsste, wo das Problem liegt, hätte man das geändert", sagte er und fügte hinzu: "Wir können nicht die ganze Mannschaft austauschen."

Heisst also: Ein Trainerwechsel war die einfachere Variante, um möglicherweise den sportlichen Turnaround zu schaffen. Doch was konkret hat der Trainer falsch gemacht? Erst nach mehreren Nachfragen liess Salihamidzic durchblicken, dass die mangelnde Disziplin ein Problem gewesen ist: "Natürlich hatten wir einige Probleme, haben einige Disziplinlosigkeiten gehabt. Trotzdem ist Julian Nagelsmann ein sehr guter Trainer. Aber klar, wir hatten einige Probleme."

Leicht dürfte ihm der Trainerwechsel nicht gefallen sein. Es war ihm anzusehen, dass dies eine schwierige Entscheidung war. Mehrfach bezeichnete er Nagelsmann als "Top-Trainer", immer wieder erwähnte er das gute Verhältnis mit Nagelsmann.

Ebenfalls interessant: Salihamidzic liess durchblicken, dass die Freistellung von Nagelsmann möglicherweise nicht stattgefunden hätte, wäre ein Top-Trainer wie Tuchel nicht verfügbar gewesen: "Der Kreis der Trainer ist klein. Und da auf dem Markt einer war, haben wir so einen Schritt gewagt."

Wäre Nagelsmann also noch immer Trainer des FC Bayern, wenn Tuchel nicht zugesagt hätte? Diese Frage wollte Salihamidzic nicht beantworten. Doch wie heisst es so schön? Keine Antwort ist auch eine Antwort.

Am Dienstag wurde Tuchel kontaktiert

Dafür erklärte Salihamidzic detailliert den Entscheidungsprozess. "Wir sind Sonntagabend (nach dem 1:2 gegen Bayer Leverkusen, Anm. d. Red.) zurückgeflogen, haben uns für Montag verabredet, also Oliver Kahn, Marco Neppe (Technischer Direktor) und ich. Wir haben alles analysiert."

Ein Tag später habe die Kontaktaufnahme mit Tuchel stattgefunden: "Ich habe Dienstag Thomas angerufen, wir haben uns Dienstagabend zusammengesetzt und haben über fünf Stunden ein gutes Gespräch geführt. Er war gleich überzeugt, dass er die Mannschaft erfolgreich führen kann."

Erst danach habe er den Präsidenten Herbert Hainer über den Vorgang informiert: "Ich habe ihm die Gründe genannt und dass wir jetzt in Verhandlung gehen." Am Mittwoch hätten dann die Verhandlungen mit den Beratern von Tuchel stattgefunden.

Salihamidzic schwärmt von Tuchel

Ob Tuchel nun der richtige Trainer für den FC Bayern ist? "Er hat die Champions League gewonnen, er hat grosse Erfolge gefeiert, hat national und international viele Erfahrungen gesammelt, hat grosse Mannschaften geführt und war in den letzten drei Jahren zweimal im Champions-League Finale", listete Salihamidzic die Erfolge von Tuchel auf.

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Kurz darauf, nach knapp eineinhalb Stunden, durfte Salihamidzic die Sendung wieder verlassen. Er hatte all seine Argumente vorgetragen. Manche werden diese nachvollziehen können, andere nicht. Schon bald wird das allerdings keine Rolle mehr spielen.

Der FC Bayern steht vor wegweisenden Wochen. Am Samstag findet das Top-Spiel gegen Borussia Dortmund statt, nur drei Tage später das DFB-Pokalviertelfinale gegen den SC Freiburg. Kurz darauf folgt der Champions-League-Kracher gegen Manchester City. Der Ausgang dieser Spiele wird darüber entscheiden, ob der Trainerwechsel die richtige Entscheidung war oder nicht.

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