Der Ausflug der Meisterspieler ans Mittelmeer erzürnt prominente Kritiker. Schon steht der Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung im Raum - und wirft gleichzeitig Fragen Richtung Vorstand auf

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Man muss nur zwei Worte googeln, "Ibiza" und "Affäre", und man bekommt ein Stück aus dem Tollhaus geliefert. Die Ibiza-Affäre erschütterte vor sechs Jahren ganz Österreich, weil der umstrittene FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache vor versteckter Kamera den Mund zu voll genommen hatte, und stürzte sogar die Regierung. Die Machenschaften wurden inzwischen verfilmt.

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Am Montag durfte man darauf lauern, dass Google die nächste Ibiza-Affäre listet: den Party-Ausflug von einem Dutzend Meister-Bayern auf die Mittelmeer-Insel. Die Aufregung ist jedenfalls gross: Schnell wurde der Verdacht geäussert, dass dieselben Bayern ihre Dienstreise am letzten Spieltag in Hoffenheim allzu leichtfertig angehen und deshalb den Abstiegskampf verzerren könnten.

Wettbewerbsverzerrung? Dieser Vorwurf ist grotesk

Die Unterstellung, dass hier Wettbewerbsverzerrung vorliegen soll, ist aus zwei Gründen grotesk. Erstens weiss niemand von denen, die jetzt das grosse Wort führen (Didi Hamann und Oliver Kahn zum Beispiel), in welchem Zustand die Bayern-Profis zur Spielvorbereitung an die Säbener Strasse zurückkehren. Und zweitens gehören Zwei-Stunden-Flüge nun wirklich zum Berufsalltag eines jeden Profifussballers.

Man kann aus eigener Erfahrung mit Profifussballern sagen: Die Kritiker sollten ruhig sein oder zumindest abwarten. Wir Normalo-Fans bräuchten vermutlich eine Woche, um uns von einem nächtlichen Gelage zu erholen. Die Burschen aber sind jung, wissen ihre Kräfte einzuschätzen und sollen Wasser getrunken haben. Kann gut sein, dass Hoffenheim die Verdachtsmomente noch bereut.

Eberl macht keine gute Figur

Die Kritik muss an ganz anderer Stelle einsetzen. Noch vor einer Woche hat der Sportvorstand Max Eberl den Ibiza-Ausflug untersagt, weil man sich jeden noch so abstrusen Vorwurf ersparen wollte: "Der Wettbewerb läuft noch." Jetzt redet er denselben, aber verspäteten Trip schön und spricht davon, dass "die Konstellation eine andere" ist. Was soll sich für Hoffenheim und St. Pauli geändert haben? Im Fernduell geht's um ihre Bundesliga-Existenz.

"Den aktuellen Ibiza-Kurztrip sehe ich als fast noch schlimmer an", äusserte sich Rekordnationalspieler und Bayern-Legende Lothar Matthäus in seiner Sky-Kolumne und liefert die Begründung unmissverständlich in Richtung Eberl nach: "Weil der Verein ihn den Spielern letzte Woche noch verboten hatte." Die Münchner Tageszeitung "tz" fragt schon besorgt: "Zickzackkurs von Max Eberl: Wie lange hält der FC Bayern das noch aus?"

So viel Kritik an Eberl ist überraschend. Immerhin sind die Feierlichkeiten zur Deutschen Meisterschaft 2025 keine drei Tage alt. Wenn aber schon eine Petitesse reicht, bei Max Eberl Grundsatzfragen in aller Öffentlichkeit auszubreiten, ist es um seine Autorität im Vereinsumfeld nicht gut bestellt. Dabei könnte man guten Gewissens einfach kontern: Die beiden Kritiker, Kahn und Hamann, waren zu ihrer aktiven Zeit selbst keine Kinder von Traurigkeit.

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fussball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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