Florian Wirtz wird von seinen Eltern beraten. Die verhandeln jetzt mit absoluten Weltklubs um die Zukunft ihres Sohnes. Ist die Familie der Situation gewachsen? Und welche Vorteile haben die Eltern möglicherweise sogar?
Als der Wechsel von
2011 war das, als es für Florian darum ging, von seinem Jugendklub Grün-Weiss Brauweiler zum 1. FC Köln zu wechseln. Man habe sich auch Leverkusen angeschaut und eine gute Situation vorgefunden, erklärte Wirtz Senior, aber "dann war es eine pragmatische Entscheidung, ans Geissbockheim zu gehen, weil der Standort günstig war".
"Die Familie ist extrem fürsorglich, wenn es um ihren Sohn geht."
"Der Vater ist sehr intelligent, absolut seriös und wirkt total aufgeräumt. Die Familie ist extrem fürsorglich, wenn es um ihren Sohn geht. Aus meiner Sicht haben sie ihn bisher perfekt durch die Karriere geführt", sagt Michael Reschke im Gespräch mit unserer Redaktion. Er war früher Manager bei Bayer 04 und später beim FC Bayern als Technischer Direktor aktiv. Der 67-Jährige ist heute als Berater tätig und kennt die Familie Wirtz.
Mutter Wirtz regelt die Finanzen, Vater Wirtz die Verträge
14 Jahre nach dem ersten Wechsel hat sich an der Situation rund um den aktuell begehrtesten Spieler Deutschlands im Grunde nichts geändert, denn er wird offiziell von seinen Eltern Karin Gross und Hans Wirtz vertreten. Heisst: Kein professioneller Berater, sondern Mama und Papa Wirtz kümmern sich um die Belange ihres Sohnes. Die Mutter regelt die Finanzen, der Vater die Verträge.
Das war auch so, als Wirtz 2020 den ebenfalls wohl überlegten Schritt vom 1. FC Köln zu Bayer Leverkusen ging. Der damals 17-Jährige sollte wegen seiner Schulausbildung im Rheinland bleiben, gleichzeitig bot ihm Bayer eine bessere Perspektive als Profi. Leverkusen und Wirtz ignorierten dabei die Vereinbarung zwischen den Westklubs, sich gegenseitig keine Jugendspieler abzuwerben mit der Begründung, dass der Vertrag sowieso ausgelaufen sei. Die Eltern wussten schon immer, was sie für ihren Sohn wollten: nur das Beste.
Reschke: Wirtz-Eltern haben nur das Beste im Sinn
"Die Entscheidung, damals nach Leverkusen zu wechseln, und später dort nochmal zu verlängern – das waren alles Schritte, die für Florian bisher ideal waren", sagt Reschke, der den bisherigen Karriereweg des Nationalspielers als "aussergewöhnlich" bezeichnet, "und genau daran sieht man, dass die Eltern immer im Interesse ihres Sohnes gehandelt und sehr gute Lösungen gefunden haben".
Reschke weiss, wie heikel es sein kann, wenn Eltern die Karriereplanung übernehmen. "Besonders dann, wenn eigene wirtschaftliche Interessen mit reinspielen", sagt Reschke. "Aber ich weiss ganz sicher: Das ist bei dieser Familie überhaupt nicht der Fall."
"Wenn Florian Zweifel besitzen würde, dann hätte er vermutlich selbst eingefordert, dass ein Berater zusätzlich dazukommt."
Der Grund, warum Florian Wirtz auf seine Eltern setzt, ist simpel: er vertraut ihnen. Sie wollen das Beste für ihn, nicht für sich selbst. Unter diesen Voraussetzungen ist die Konstellation für einen jungen Spieler "extrem wertvoll", wie Reschke betont. "Wenn Florian Zweifel besitzen würde, dann hätte er vermutlich selbst eingefordert, dass ein Berater zusätzlich dazukommt."
Reschke hingegen hat keinerlei Zweifel, dass alle grossen Agenturen, alle bekannten Berater versucht haben, ihn zu gewinnen. "Trotzdem ist er bei seiner Familie geblieben – das sagt doch alles", betont Reschke. Die Entwicklung der vergangenen Jahre gibt Wirtz Junior Recht. Und inzwischen ist im Grunde klar, dass der 22-Jährige Leverkusen wieder verlassen wird. Und Papa Wirtz regelt mal wieder.
Ist Hans Wirtz der Gemengelage gewachsen?
Allerdings sitzt der 71-Jährige inzwischen nicht mehr nur mit Vertretern von Bayer Leverkusen an einem Tisch, sondern mit jenen vom FC Bayern, FC Liverpool, Manchester City und womöglich auch Real Madrid, wenn man allen Gerüchten Glauben schenken kann. Das ist die grosse, schillernde Fussball-Welt, das kann aber auch ein Haifischbecken sein. Womit in den vergangenen Wochen öfter die Frage gestellt wurde: Ist Hans Wirtz als Berater dem Ganzen gewachsen?
Denn das Gesamtpaket hat es in sich. Leverkusen erhofft sich eine Ablöse in Höhe von bis zu 150 Millionen Euro. Hinzu kommen Gehalt und Boni. Bislang soll Florian Wirtz 7,5 Millionen Euro pro Jahr verdienen. Man kann davon ausgehen, dass er in Zukunft bei 20 plus x Millionen Euro pro Saison landen dürfte. Es sind irre Summen im Spiel. Und ganz grundsätzlich ist der nächste Karriereschritt auch sportlich ein immens wichtiger.
Reschke hat keinen Zweifel an Wirtz' Expertise als Berater
Der Experte hat aber auch hier keine Zweifel. "Die Annahme, dass er überfordert sein könnte, ist für mich ein Ammenmärchen. Ich bin überzeugt, dass er dieser Aufgabe absolut gewachsen ist", stellt Reschke klar. Hans Wirtz bringe ein hohes Mass an Empathie mit, er habe schon viele Gespräche und Verhandlungen geführt, weiss Reschke. "Sollte er auch nur ansatzweise den Eindruck haben, dass ihm jemand etwas vormachen will, wäre dieses Thema umgehend beendet. Das würde er spüren – und zwar sofort."
Ausserdem ist Wirtz Senior nicht vermessen. "Wenn er jemals das Gefühl hätte, an einem Punkt nicht mehr alleine weiterzukommen, würde er sich professionelle Unterstützung holen", sagt Reschke. Das hat die Familie bereits getan, allerdings in Sachen Vermarktung. Bei grossen Werbedeals wie zum Beispiel zuletzt mit "Pepsi" hilft die Agentur "Sports360" um die Spielerberater Volker Struth und Sascha Breese. Ob es auch bei der Karriereplanung punktuell einen Austausch gibt, ist nicht ausgeschlossen – offiziell liegt die Verantwortung aber weiter bei den Eltern.
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Diese Vorteile hat die Wirtz-Seite in den Verhandlungen
Doch Hans Wirtz hat in den Verhandlungen nicht nur das Heft des Handelns in der Hand, sondern auch ein paar Vorteile. Zum einen die Tatsache, dass er genau weiss, was sein Sohn will und braucht, schliesslich steht ihm niemand näher als die Eltern. Hinzu kommt, dass die Wirtz-Seite im Grunde keine Eile hat. Er kann auch noch eine weitere Saison in Leverkusen bleiben, wo er noch einen Vertrag bis 2027 besitzt.
Daneben steht das Finanzielle gar nicht so sehr im Vordergrund, sondern vor allem der weiterhin optimale sportliche Weg. Ideale Antworten also auf Fragen wie: Was ist sportlich das Beste für Florians Entwicklung? Wie arbeitet der Trainerstab mit ihm? Wie sieht die Strategie des Klubs aus? Und was sagt Florians eigenes Gefühl? "Und genau dies hat die Familie bisher mit kluger Weitsicht sinnvoll gesteuert", sagt Reschke.
In den Zusammenhang spielt es dem Wirtz-Lager in die Karten, dass die Klubs, ob nun Liverpool, Real oder der FC Bayern "ein durchdachtes, stimmiges und sportlich sinnvolles Gesamtpaket schnüren, und alle werden sich von ihrer besten Seite zeigen. Nicht nur sportlich, sondern auch im zwischenmenschlichen Umgang", sagt Reschke.
Natürlich müssten auch Top-Klubs wirtschaftlich verantwortlich handeln, betont Reschke. Doch auch wenn die Vertreter der Klubs mit allen Wassern gewaschen sein mögen, sind sie vor allem seriös. "Und bei einem Spieler dieses Formats ist klar: Man wird alles daransetzen, ihn korrekt und respektvoll zu behandeln – weil man weiss, welchen Wert und Klasse er besitzt", sagt Reschke.
Wo landet Wirtz am Ende? Experte hat "kein klares Gefühl"
Im Moment herrscht viel Bewegung in der Personalie, es gibt daher die tägliche Wirtz-Wasserstandsmeldung. Lange dürfte es aber nicht mehr dauern, bis eine Entscheidung steht. Reschke hat aber "kein klares Gefühl", was am Ende herauskommt.
Lange Zeit dachte er, dass Wirtz in Leverkusen bleiben würde. "Die entscheidende Frage lautet: Was treibt ihn auf Vereinsebene entscheidend an? Meine Überzeugung: Florian Wirtz will die Champions League gewinnen – und zwar nicht nur einmal. Wenn dieser Antrieb schon aktuell die wichtigste Rolle in seinen Überlegungen spielt, wird er schon jetzt wechseln wollen." So oder so ist klar: Am Ende wird sich der Familienrat wieder zusammensetzen, um eine Entscheidung zu treffen.
Verwendete Quellen
Über den Gesprächspartner
- Michael Reschke (67) arbeitete von 1979 bis 2014 für Bayer 04, zunächst als B- und A-Jugendtrainer, später als Jugend-Cheftrainer, Nachwuchsleiter, Chef der Scouting-Abteilung und von 2004 an als Manager. Von 2014 bis 2017 war er bei den Bayern Technischer Direktor. Heute ist er als Berater tätig.