Mit einem 3:1 gegen Nordirland hat die Nationalmannschaft auf den letzten Drücker ihre Krise in der WM-Qualifikation verhindert. Allerdings hallt die Empörung über den deutschen Jungstar noch nach.
Es ist nicht lange her, dass
Beim schmeichelhaften 3:1 gegen Nordirland passierte der brutale Absturz: Das Publikum pfiff denselben Jungen, der kürzlich noch Liebling der Massen war, bei der Auswechslung in der 61. Spielminute gnadenlos aus. Und das lag nicht daran, dass Woltemade auch in seinem dritten Länderspiel keinen Treffer erzielt hatte.
Woltemade als Symbol seiner Generation: Geldgeil, illoyal, opportun?
Der Transfersommer machte aus dem schlaksigen Kerl, der seine 1,98 Meter Körpergrösse irgendwie immer in Torgefahr umwandeln konnte, plötzlich zur Symbolfigur einer überschätzten Spielergeneration. Geldgeil, illoyal, opportun - das sind jetzt die Attribute, die man mit ihm verbindet. Er ist selbst daran schuld.
- Fehler Nummer 1: Obwohl sein VfB-Vertrag noch Jahre in Stuttgart vorsah (bis 2028), verhandelte er mit Bayern München einen Vereinswechsel aus.
- Fehler Nummer 2: Als der VfB Stuttgart die fällige Ablösesumme auf mindestens 75 Millionen Euro hochschraubte, bettelte Woltemade um die Freigabe. Er wolle "unbedingt" zu den Bayern.
- Fehler Nummer 3: Kaum verweigerten die Bayern ihre Zahlungsbereitschaft für einen Spieler, der laut "Transfermarkt.de" nur 30 Millionen Euro wert ist, bandelten Woltemade und sein Berater Danny Bachmann über Nacht mit Newcastle United in England an - bei einem Klub, den Saudi-Arabien alimentiert. Der Preis: das Dreifache. 90 Millionen Euro.
Plötzlich war vergessen, dass der VfB Stuttgart ihn aus dem grauen Alltag von Werder Bremen herausgeholt hatte und Bayern München Ziel seiner Karriereplanung war. Hauptsache, die Kasse stimmt. Sowas vergisst das Publikum nicht, wenn Woltemade wie jetzt beim 3:1 in der WM-Qualifikation wie Falschgeld herumläuft.
Pfiffe gegen Nationalspieler, die nicht liefern, was die Leute verlangen, sind nichts Ungewöhnliches. Ausgerechnet eine VfB-Legende kann ihm da Mut machen:
Damals war Lukas Podolski, der spätere Weltmeister, ausser sich vor Wut, wie "Focus Online" berichtet: "Natürlich haben die Fans das gute Recht, sauer zu sein, wenn ihre Mannschaft schlecht spielt. Aber dass ein Mitspieler grundlos so ausgepfiffen wird, macht mich einfach nur traurig." Grundlos waren die Pfiffe nicht: Gomez traf das Tor nicht häufig genug.
Bundestrainer Nagelsmann verteidigt Woltemade
Darum verteidigte Bundestrainer
Genau hier liegt vermutlich das Missverständnis: Pfiffe sind Ausdruck eines Unbehagens und eine Meinungsäusserung, die von Nationalspielern, die den lieben langen Tag von Claqueuren umringt sind, nur schwer zu ertragen sind. Dabei kann man Pfiffe leicht verhindern - man muss lediglich gut spielen und alles geben.
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Vielleicht müssen wir noch viel mehr pfeifen, wenn die Leistung nicht stimmt. Nicht, weil wir den Menschen nicht mögen; der bleibt unantastbar. Sondern weil es im Stadion das ehrlichste Zeugnis ist, was man von der Darbietung hält, und bestenfalls zur Selbstkritik anregt.
Über den Autor
- Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fussball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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Verwendete Quelle
- focus.de: "Unterste Schiene!" DFB-Elf sauer auf eigene Fans
- transfermarkt.de: Profil von Nick Woltemade