Der FC Bayern München kassierte im letzten Vorrundenspiel der Fifa-Klub-Weltmeisterschaft die erste Niederlage. Michael Ballack führte das 0:1 gegen Benfica Lissabon unter anderem auf eine misslungene Rotation von Vincent Kompany und die schwache Chancenverwertung von Leroy Sané zurück.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Oliver Jensen sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die sportliche Bedeutung des Spiels gegen Benfica Lissabon war gering. Der FC Bayern hatte die Qualifikation für das Achtelfinale ohnehin schon sicher. Im letzten Vorrundenspiel ging es für den deutschen Rekordmeister "nur" noch um den Gruppensieg.

Mehr News zum FC Bayern München

Vincent Kompany nahm sich dies zum Anlass für eine grosse Rotation. Gleich sieben Veränderungen an der Startelf fanden gegenüber dem 2:1 gegen Boca Juniors statt. Die Anfangsformation war mit Spielern wie Leroy Sané, Thomas Müller und Serge Gnabry zwar weiterhin prominent besetzt. Dennoch drängte sich der Eindruck auf, dass die Elf nicht stimmig war.

Das Spiel war laut Ballack sinnbildlich für Sané

Von den Flügelspielern Sané und Gnabry kamen nur wenige Impulse. Der 19-jährige Tom Bischof war bei seinem Bayern-Debüt als Spielgestalter gefordert, doch das Zentrum wurde von Benfica zugestellt. Thomas Müller, der anstelle von Harry Kane als Stürmer agierte, fand ebenfalls nicht ins Spiel.

Es vergingen 43 Minuten, ehe der FC Bayern die erste Torchance zustande bekam. Gnabry setzte sich an der Torauslinie durch und spielte in den gefährlichen Raum – doch Sané knallte den Ball weit über das Tor. Im weiteren Spielverlauf liess der 29-Jährige, der zu Galatasaray Istanbul wechseln wird, weitere Chancen liegen.

Michael Ballack fand klare Worte zu Sané. "Das Spiel war ein bisschen sinnbildlich für ihn, wenn man das so sagen darf", sagte der DAZN-Experte. "Er wird immer wieder hochgelobt, ist ein Riesen-Talent, aber zur absoluten Weltspitze fehlt dann doch noch etwas - die Konzentration, die Ausstrahlung und auch die Seriosität, mit den Chancen verantwortungsvoll umzugehen. Er wurde zwei-, dreimal hervorragend eingesetzt, stand alleine vor dem Tor und machte das Tor nicht, um seiner Mannschaft zu helfen."

Rotation führte zu Unsicherheiten und Abspielfehlern

Insgesamt schlichen sich viele technische Fehler und Ungenauigkeiten in das Spiel des deutschen Rekordmeisters ein. Das Gegenpressing nach Ballverlusten - eigentlich eine Stärke des FC Bayern - fand nicht statt.

Ballack sah in der Rotation eine Problem-Ursache: "Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann die Aufstellung von Vincent Kompany, die nicht funktioniert hat. Er hat sich sicherlich etwas dabei gedacht, wollte auch Spieler schonen. Aber vielleicht war es der eine oder andere Wechsel zu viel, der dazu geführt hat, dass man überhaupt keinen Spielfluss hatte, sondern viele Unsicherheiten und Abspielfehler."

Dass ausgerechnet Sané in die Startelf rotierte, konnte Ballack noch weniger verstehen: "Heute, wo man schon qualifiziert ist, spielt er auf einmal. Man hätte sicherlich auch dem einen oder anderen Jugendspieler eine Chance geben können, wenn ich schon rotiere."

Probleme in der Defensive: "Die komplette Bayern-Abwehr schläft"

Ein Problem der ersten Hälfte war auch die fehlende defensive Absicherung. Innenverteidiger Dayot Upamecano fand sich als letzter Mann mehrmals in Eins-gegen-Eins-Situationen wieder. "An der Mittellinie so hoch ohne Absicherung zu spielen, ist gefährlich", sagte Ballack.

Eine weitere Schwachstelle waren die Aussenverteidiger: Auf der linken Seite vernachlässigte Raphael Guerreiro mehrfach die Abwehrarbeit. Das Gegentor zum 0:1 wurde über seine Seite eingeleitet. Auch Rechtsverteidiger Sacha Boey trug eine Mitschuld, da er den Torschützen Andreas Schjelderup aus den Augen liess.

Ballack fasste zusammen: "Die komplette Bayern-Abwehr schläft hier." Innenverteidiger Josip Stanisic ist von dieser Kritik noch am ehesten auszunehmen, weil er für Guerreiro links aushelfen musste, dafür aber in der Mitte fehlte.

Eingewechselter Kimmich machte den FC Bayern besser

Die Unzufriedenheit von Kompany zeigte sich an den Auswechslungen. Drei Veränderungen nahm er zur Halbzeit vor: Harry Kane, Joshua Kimmich und Michael Olise kamen anstelle von Gnabry, Bischof und Joao Palhinha ins Spiel.

Gefühlt stand dadurch eine komplett andere Mannschaft auf dem Platz. Plötzlich war alles da: Offensivdrang, Spielfreude, Gegenpressing, Spielverlagerungen und Torabschlüsse.

Speziell der Einfluss von Kimmich war spürbar, der gewohnt überall auf dem Feld anzutreffen war und einen genialen Pass nach dem anderen spielte. Fast hätte er sich selber mit dem Ausgleich zum 1:1 belohnt, doch Kane stand bei dessen Distanzschuss im Abseits. Der Treffer wurde daher aberkannt.

Chancenverwertung als Schwachstelle

Müller haderte insgesamt mit der Chancenverwertung: "Wir haben ein paar klare Chancen vergeben. Insofern ist es auch ein Stück weit unsere Schuld, dass wir das Spiel nicht zumindest unentschieden gespielt oder sogar gewonnen haben."

Torwart Manuel Neuer lobte zumindest die Steigerung nach der Pause: "Die erste Halbzeit müssen wir auf jeden Fall kritisch analysieren. Aber das, was wir in der zweiten Halbzeit gezeigt haben, das war der FC Bayern – und so wollen wir auftreten."

Flamengo Rio de Janeiro ist der Achtelfinal-Gegner

Die Konsequenz aus der Niederlage lässt sich verschmerzen. Der FC Bayern trifft am Sonntag (22 Uhr) als Gruppenzweiter auf den brasilianischen Verein Flamengo Rio de Janeiro. Hätten sie die Gruppe gewonnen, wäre möglicherweise der FC Chelsea der Gegner gewesen.

"Wir nehmen nichts Negatives mit in die Partie", sagte Kompany. "Wir wissen, dass wir uns Chancen herausspielen können. Wir waren dominant, hatten mehr Chancen – aber haben nicht gewonnen. Das darf uns in den nächsten Runden nicht mehr passieren."