Während der FC Bayern als Titelfavorit in die Saison der Frauen-Bundesliga ging, haben die Wölfinnen einen grossen Umbruch im Sommer hinter sich. Zuletzt eroberte der VfL jedoch die Tabellenspitze. Wolfsburgs Nationalspielerin Sophia Kleinherne spricht im Interview über die erstaunliche Frühform ihrer Mannschaft und das Duell.

Ein Interview

Zwölf Neuzugänge und 15 Abgänge: Der Umbruch beim VfL Wolfsburg war im Sommer gross. Mit Stephan Lerch, der die Wölfinnen bereits von 2017 bis 2021 trainierte, kam zudem ein neuer Trainer. Doch die Findungsphase scheint das Team schnell und erfolgreich abgeschlossen zu haben: Seit dem 8:0-Sieg in der Liga gegen Essen vergangene Woche steht die Mannschaft auf Rang eins. In der Champions League gewann sie 4:0 gegen Paris Saint-Germain zum Auftakt. Gegner Bayern hingegen erlebte bislang eine bittere Woche: Beim FC Barcelona kassierten die Meisterinnen ein 1:7.

Verteidigerin Sophia Kleinherne wechselte im Sommer von Eintracht Frankfurt zum VfL Wolfsburg. Sie verletzte sich im EM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Spanien und fällt im Topspiel aus. Im Interview spricht sie über ihre Beobachterrolle, die Vormachtstellung des FC Bayern und die kommenden Spiele der DFB-Frauen.

Frau Kleinherne, bei der EM im Juli haben Sie sich eine Muskel- und Sehnenverletzung zugezogen. Wie geht es Ihnen jetzt?

Sophia Kleinherne: Mir geht es gut, danke. Ich mache grosse Fortschritte in der Reha und bin in Wolfsburg und von der Mannschaft sehr schnell sehr gut aufgenommen worden. Es ist ja immer eine Herausforderung, wenn man neu und gleich abgekapselt ist von der Mannschaft. Für mich war der Einstieg sehr schön – auch, wenn ich natürlich lieber direkt auf dem Platz mitwirken würde. Ich bin aber gut im Zeitplan, arbeite individuell auf dem Platz und es ist absehbar, dass ich bald mit der Mannschaft trainieren kann.

Ist absehbar, wann Sie wieder spielen können?

Es ergibt Sinn, die Länderspielpause noch intensiv zu nutzen und danach zu schauen, wie der Körper reagiert.

Kleinherne erlebt durch ihre Verletzung einen spannenden Perspektivwechsel

Sie sind neu in Wolfsburg und bisher in der Beobachterrolle, während die Mannschaft an der Tabellenspitze steht und erfolgreich in die englischen Wochen gestartet ist. Wie geht es Ihnen damit?

Es tut natürlich seit dem ersten Spieltag ein bisschen weh, dass ich nicht der Teil der Mannschaft sein kann, der ich gern wäre. Es ist aber spannend, diesen Perspektivwechsel einzunehmen und auf die einzelnen Mannschaftsteile schauen zu können. Ich will mich zwar nicht an diese Situation gewöhnen, aber es wäre nicht angebracht, auf den letzten Metern ungeduldig zu werden. Ich freue mich auf das erste Topspiel aus Sicht des VfL Wolfsburg, weil man hier mit einer anderen Haltung in die Woche geht. Das Päckchen, das man als VfL Wolfsburg trägt, ist ein bisschen grösser. Das macht es unglaublich spannend.

Sophia Kleinherne ist beim VfL Wolfsburg noch zum Zuschauen verdammt.
Sophia Kleinherne ist beim VfL Wolfsburg noch zum Zuschauen verdammt. © IMAGO/Lobeca/Ines Hähnel

Wie zeigt sich diese andere Haltung?

Selbstbewusstsein ist das eine. Zum anderen verbinden alle sehr hohe Ansprüche mit dem VfL Wolfsburg – und wir nehmen dies auch an. Das ist ein Grund, weshalb ich mich für Wolfsburg entschieden habe. Der Verein lebt dieselbe Identität wie ich, hat dieselben Ansprüche wie ich, alle ziehen hier an einem Strang.

Kleinherne ordnet den laufenden Umbruch in Wolfsburg ein

Viele haben erwartet, dass Wolfsburg mit neuem Trainer und vielen neuen Spielerinnen Zeit braucht, um sich zu finden. Tabellenspitze und ein 4:0-Sieg gegen PSG zeigen das Gegenteil. Ist man im Verein überrascht, wie erfolgreich man schon ist?

Überrascht nicht. Man sollte sehen, welche Entwicklung wir seit dem ersten Spieltag genommen haben. Es war von Anfang an klar, dass wir uns erst finden mussten, wegen der EM und, weil viele Spielerinnen deshalb erst spät ins Training eingestiegen sind. Eine Umstrukturierung bringt viel Potenzial mit sich. Wir haben bisher gezeigt, dass viel frischer Wind uns guttut. Wir gehen den Weg sehr gut, wissen aber auch, dass noch Luft nach oben ist.

Wo ist in der Mannschaft noch Luft nach oben?

Das wird sich in den anstehenden Wochen zeigen, wenn national und international ein Top-Gegner nach dem anderen kommt. Ich habe englische Wochen selbst erlebt: Es ist die grösste Herausforderung, dass man in solchen Wochen als Team zusammensteht und körperlich und mental frisch bleibt. Jeder Gegner ist anders, auf jeden Gegner muss man sich anders einstellen.

Welchen Anteil hat Trainer Stephan Lerch an der Entwicklung im Team?

Einen sehr grossen, weil er den Verein bestens kennt und durch die Umstrukturierung vor der Herausforderung stand, das alles zusammenzuwürfeln. Das Trainerteam legt eine enorme Bereitschaft an den Tag, sie investieren sehr viel auf und neben dem Platz. Man spürt ein sehr positives Zusammenspiel, das sich auf die Mannschaft überträgt.

"Gerade durch die Niederlage in Barcelona werden sie mit viel Wut im Bauch nach Wolfsburg kommen."

Sophia Kleinherne über das Topspiel gegen den FC Bayern

Euer nächster Gegner, der FC Bayern, verlor in der Liga gegen Jena beim 0:0 Punkte und erlebte zuletzt gegen Barcelona ein 1:7-Debakel. Wie schätzen Sie Bayern ein?

Gerade durch die Niederlage in Barcelona werden sie mit viel Wut im Bauch nach Wolfsburg kommen. Wir sind punktgleich, beide Mannschaften haben den Anspruch, ein bis drei Punkte mitzunehmen und sich bestenfalls abzusetzen. Bayern ist für mich nach wie vor eine Macht, sie haben eine enorme Qualität, auch in der Breite. Es ist schwierig, sich im Detail auf sie einzustellen, weil man nicht weiss, wer in der Startelf steht. Auf das Grundkonzept der Bayern haben wir uns sehr gut eingestellt. Ich erwarte sehr aktive, offensive und aggressive Bayern, weil sie mehr haben liegenlassen, als ihnen lieb ist.

Welche Art von Spiel erwarten Sie?

Beide Mannschaften werden von Anfang an mutig und offensiv spielen und versuchen, die Kontrolle auf ihre Seite zu ziehen. Das wird qualitativ auf Augenhöhe sein. Kleinigkeiten, das Momentum, der bessere Start können entscheidend sein. Wir hatten eine intensive und erfolgreiche Woche. Wenn wir das auf das Spielfeld bringen, bin ich sicher, dass wir etwas Zählbares mitnehmen.

Bei den nächsten Länderspielen, den Nations-Legaue-Partien gegen Frankreich, sind Sie nicht dabei. Welche Art Spiele erwarten Sie da?

Empfehlungen der Redaktion

Es sind Nations-League-Spiele, es geht um etwas. Es ist wahrscheinlich, dass Christian Wück (der Bundestrainer, d. Red.) nicht viel experimentieren wird. Frankreich wird wahrscheinlich noch Wut im Bauch haben nach der Niederlage gegen uns im EM-Viertelfinale. Es gibt einen kleinen Umbruch im Team. Ich finde es schade, nicht Teil des Teams zu sein und die Euphorie nach der EM nicht miterleben zu können. Ich bin mir sicher, dass Christian Wück viel Positivität und viele positive Lehren aus der EM gezogen hat. Alle freuen sich, wieder zusammenzukommen, die Stimmung ist sehr positiv.