Das Frauen-Team des FC Barcelona ist ein Aushängeschild des Klubs. Nicht nur, weil dort Spitzenspielerinnen wie die Weltfussballerin Aitana Bonmatí oder Alexia Putellas spielen, sondern auch, weil das Team seit Jahren auf internationaler Ebene erfolgreich ist und beispielsweise im Champions-League-Finale stand. Doch weil der Verein vor allem in seiner Männerabteilung schlecht wirtschaftet und Schulden anhäuft, leiden nun die Frauen darunter.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Sabrina Schäfer sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es gibt in Spanien die Regel, dass bei den Finanzen eines Vereins, der in der ersten Liga der Männer spielt, auch die Frauen- und Jugendmannschaften miteinbezogen werden. Und diese Regel trifft aktuell die Frauen des FC Barcelona mit voller Wucht.

Dass der FC Barcelona in Bezug auf sein Männerteam in etwa so solide wirtschaftet wie Jimi Blue Ochsenknecht, ist branchenweit bekannt. Anfang des Jahres verkündete der Verein einen Schuldenberg von 1,35 Milliarden Euro. Auch, dass die Vereinsverantwortlichen immer wieder Schlupflöcher finden und nutzen, um trotz der Schuldenberge neue Spieler zu verpflichten und anzumelden, weiss man.

Fussball-Expertin Lehmann: "Nun ist auch das Frauen-Team von der Trickserei betroffen"

Dabei steht das Team der Männer von Hansi Flick über allem - auch über dem überaus erfolgreichen Frauen-Team. Und deshalb schröpft Präsident Joan Laporta aktuell das Team um Weltfussballerin Aitana Bonmati, um die Financial-Fairplay-Götter zu besänftigen und Ungemach vom Männerteam abzuwenden. Denn wie "El Periodico" erklärt, müssen die Finanzen des Frauen-Teams ausgeglichen sein, da sie ins Financial Fairplay des Männerteams mit eingerechnet werden.

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Kathrin Lehmann arbeitet als TV-Expertin im ZDF. © IMAGO/foto2press/IMAGO/Steffen Proessdorf

Oder wie es TV-Expertin Kathrin Lehmann gegenüber unserer Redaktion formuliert: "Die Situation in Barcelona ist gefühlt seit Jahren die gleiche: Man mauschelt, damit man die Auflagen erfüllt. Nun ist auch das Frauen-Team im Fokus und von der Trickserei betroffen."

Dass die Frauen nun plötzlich so im Fokus stehen, zeigt auch, dass es durchaus ein Problem sein kann, wenn Frauen-Teams an Männerteams angedockt sind, wie Lehmann erklärt: "Nun werden die Diskussionen wieder losgehen, ob es nicht doch sinnvoll ist, dass Frauen-Teams - ähnlich wie in den USA - völlig eigenständig sein sollen." Dass Deutschland und England den umgekehrten Weg gehen und die Männer-Vereine aktuell mehr in ihre Frauen-Teams investieren, hält Lehmann - unabhängig von der Situation beim FC Barcelona - dennoch für den richtigen Weg: "Gemeinsam wachsen, um dann in ein paar Jahren zu analysieren, was das Beste ist."

Rund eine Million Euro fehlt dem Team für ausgeglichene Finanzen, weshalb verstärkt Gehaltsmasse reduziert wird. Im Klartext: Spielerinnen, deren Verträge auslaufen, werden nicht verlängert, und Spielerinnen, die gehen wollen, dürfen gehen. Allerdings werden kaum neue Spielerinnen verpflichtet. Die "Daily Mail" schreibt von bislang 14 Abgängen.

Mit Mini-Kader in die Vierfachbelastung

So ist der Kader aktuell auf 18 Spielerinnen zusammengeschrumpft und er könnte noch kleiner werden. Denn auch Verteidigerin Jana Fernandez wird Barcelona aller Wahrscheinlichkeit nach verlassen. Sie schliesst sich laut "La Periodico" den frisch aufgestiegenen London City Lionesses an. Sollte Barca nicht noch tätig werden, könnte man also mit einem 17 Spielerinnen starken Stamm-Kader in die nächste Saison gehen, in der erneut eine Vierfachbelastung aus Meisterschaft, Pokal, Copa Catalunya Feminina und Champions League wartet.

Nach dem verlorenen Champions-League-Finale (gegen Arsenal) und dem verlorenen EM-Finale (gegen England) giert aber vor allem Weltfussballerin Aitana Bonmati nach internationalen Titeln, wie sie nach dem EM-Finale unmissverständlich klargemacht hatt. Es ist jedoch sehr fraglich, ob sie dieses Ziel mit einem so dezimierten Team erreichen kann.

Laut Kathrin Lehmann brauche man "einen Kader von 25 Spielerinnen, um in allen Wettbewerben erfolgreich bestehen zu können, aufgrund von Verletzungen, Sperren oder der Belastungssteuerung". Auf Barca könnten über 40 Spiele zukommen, Lehmann erwartet deshalb, dass aus dem offiziellen Kader des 2. Teams noch Spielerinnen wie das Schweizer Talent Sidney Schertenleid in den A-Kader hochgezogen werden.

Allerdings leidet auch die Nachwuchsarbeit der Frauen beim FC Barcelona unter den finanziellen Einbussen. Das B-Team hat laut "La Periodico" gerade einmal noch zehn Spielerinnen unter Vertrag und ist gezwungen, auf Nachwuchskräfte auszuweichen. Auf der offiziellen Barca-Webseite ist der B-Kader noch nicht offiziell ausgewiesen (Stand 14. August 2025), wahrscheinlich auch, weil noch nicht klar ist, welche Spielerinnen womöglich in den A-Kader gezogen werden.

Muss der FC Barcelona seine Spielweise verändern?

Dennoch ist sich Lehmann sicher, dass der FC Barcelona national wieder Titel holen wird: "Barcelona wird in der Liga und auch im Pokal bestens abschneiden. Die Frage ist, wie werden sie in der Champions League performen. Es wartet also eine clevere Saisonplanung auf Trainer Pere Romeu." Die Expertin erwartet, dass Barcelona womöglich auch seinen Spielstil anpassen muss: "Vielleicht werden sie in der Liga nicht mehr ganz so dominant auftreten, damit sie Energie für die Champions League haben. Wahrscheinlich werden wir auch einen sparsameren Energie-Fussball sehen, der nicht mehr vom Kurzpassspiel geprägt ist."

Interessant wird es bei Barca noch einmal zum Ende der Saison. Dann laufen die Verträge von Leistungsträgerinnen wie Alexia Putellas und Caroline Graham Hansen aus. Nach aktuellem Stand wird Barcelona nicht mit den Gehältern mithalten können, die Topspielerinnen zum Beispiel in der englischen Women's Super League aufrufen können. Weitere Abgänge sind in der Zukunft also wahrscheinlich. Das glaubt auch Lehmann: "Bonmati, Alexia und Patri werden so lange in Barcelona spielen, bis jemand unfassbar viel Geld auf den Tisch legt. Diese Situation wird kommen - unabhängig davon, wie es um Barcelona steht."

Die aktuelle Lage wirkt besonders bitter, weil es der FC Barcelona war, der durch unermüdliche Investitionen in den Nachwuchs und die Strukturen dem Fussball der Frauen in Spanien erst sein heutiges Standing verschafft hat. Ohne den FC Barcelona hätte es auch das spanische Nationalteam nie zum Weltmeistertitel gebracht. Erst durch die Investitionen und den Beweis, dass auch die Frauen das Camp Nou vollmachen können, liess sich der spanische Verband von vermehrter Unterstützung des Frauen-Nationalteams überzeugen.

Inzwischen hat natürlich nicht mehr nur der FC Barcelona professionelle Strukturen im Fussball der Frauen, dennoch stellt sich die Frage, was es für den Frauenfussball, wenn der Vorzeigeverein plötzlich womöglich nicht mehr international mithalten kann.

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Lehmann blickt dennoch optimistisch in die Zukunft: "Barcelona ist eine sehr attraktive Adresse für junge Talente, die nicht ganz so viel kosten wie arrivierte Spielerinnen." Gut möglich, dass sich der Verein künftig gezwungenermassen noch mehr um solche Talente bemühen wird.

Über die Gesprächspartnerin

  • Kathrin Lehmann ist eine ehemalige Fussball-Torhüterin, die unter anderem für den FC Bayern und Turbine Potsdam in der deutschen Bundesliga aufgelaufen ist. Inzwischen spielt sie Eishockey beim ESC Planegg in der Fraueneishockey-Bundesliga. Dem Fussball ist sie als TV-Expertin im ZDF, unter anderem bei EM der Frauen in der Schweiz, treu geblieben.

Verwendete Quellen