Der deutsche Tennisprofi Jan-Lennard Struff spricht im Interview über Duelle mit Alexander Zverev, Carlos Alcaraz und Novak Djokovic sowie über die finanziellen Aspekte des Tennissports.

Ein Interview

Jan-Lennard Struff kennt die Höhen und Tiefen des Tennissports. Der heute 35-Jährige stand im Jahr 2023 auf Platz 21 der Weltrangliste und wurde zum "Comeback Player of the Year" ernannt. Ein Jahr später gewann der gebürtige Warsteiner das Tennisturnier in München. Er hat bereits Top-Spieler wie Alexander Zverev und Carlos Alcaraz besiegt, allerdings auch einige Male gegen sie verloren.

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Zuletzt gab es für Struff weniger Siege zu feiern. Dadurch rutschte er auf Platz 86 der Weltrangliste ab. Wir treffen uns mit ihm beim ATP-Turnier in Hamburg.

Jan-Lennard Struff, Tennis, Sport
Tennisprofi Jan-Lennard Struff im Gespräch mit Autor Oliver Jensen. © Oliver Jensen

Am Vortag hatte er gegen den 17-jährigen Deutschen Justin Engel knapp in zwei Sätzen verloren. Auf der Dachterrasse der Players Lounge, wo sich die Profis zwischen den Spielen aufhalten, spricht Struff mit uns über das Leben als Tennisprofi, die bevorstehenden French Open und den Vergleich zum Fussball.

Herr Struff, wie viel hängt im Tennis vom Momentum ab?

Das Momentum ist im Tennis extrem wichtig. Und das kann sich oft innerhalb von wenigen Matches drehen. Mal gewinnt man knapp mit 7:6 im dritten Satz und es geht danach in die richtige Richtung. Oder man verliert und es geht in die falsche Richtung. Momentan läuft es bei mir nicht so gut. So eine Phase ist schwierig. Wenn es gut läuft, hat man mehr Selbstvertrauen, überlegt nicht so viel und zögert weniger. Ich habe in meiner Karriere bereits viel erlebt. Daher weiss ich, dass man sich das Momentum erarbeiten muss.

Sie haben Anfang der Woche gegen den 17-jährigen Justin Engel verloren, der als grosses deutsches Tennis-Talent gilt. Sie haben eine besondere Verbindung zu ihm, denn Sie waren früher sein Babysitter…

Das ist wirklich eine verrückte Geschichte (grinst). Damals war ich mit Nina (Zander, Ex-Tennisspielerin, d.Red.) zusammen. Sie wurde von Horst Engel, dem Vater von Justin, trainiert. Manchmal hat Nina auf Justin aufgepasst – und ich war dabei. Erst vor gut einem Jahr wurde mir bewusst, dass Justin Engel der kleine Junge ist, auf den wir damals aufgepasst haben. Wir haben im vergangenen Jahr eine Woche zusammen trainiert. Ich bin mit meinen 35 Jahren doppelt so alt wie er, daher ist das eine spannende Geschichte. Trotzdem hätte ich gerne gegen ihn gewonnen.

Boris Becker hat Sie im Podcast "Becker Petkovic" sehr gelobt und Ihre Verdienste als Davis-Cup-Spieler hervorgehoben. Allerdings sagte er, dass Sie kein Filigrantechniker seien, sondern ein sehr körperlicher Spieler. Dies würde allerdings im höheren Alter immer schwieriger werden. Stimmen Sie ihm zu?

Ich fühle mich schon noch fit. Ich glaube, dass ich auch fitter bin als einige andere Spieler. Vielleicht lässt die Spritzigkeit mit dem Alter ein bisschen nach. Das ist ganz normal. Aber meine Fitness ist gut. Es hängt momentan eher mit dem Momentum zusammen.

Struff spricht über seine Favoriten bei den French Open

Nun stehen die French Open bevor, bei denen Sie in der Vergangenheit oft gut abgeschnitten haben. Zweimal erreichten Sie das Achtelfinale, im vergangenen Jahr immerhin die 3. Runde. Liegt Ihnen das Turnier in Paris besonders gut?

Ja, ich hatte dort bislang meine besten Ergebnisse bei den Grand-Slam-Turnieren. Auf den Sandplätzen dort verlaufen die Spiele relativ zügig…

… obwohl Sandplätze eigentlich als sehr langsam gelten…

Das stimmt, aber die Plätze bei den French Open sind schneller als bei anderen Sandplatz-Turnieren. Ich verbinde auch persönliche Erinnerungen mit den French Open. Als ich 15 Jahre alt war, bin ich mit meiner Mutter dort gewesen und habe mir das angeschaut. Das war schön.

Wer sind Ihrer Einschätzung nach die Top-Favoriten bei den French Open?

Carlos Alcaraz und Jannik Sinner sind ganz vorne dabei, Sascha (Spitzname von Alexander Zverev, d.Red.) schätze ich auch wieder sehr stark ein. Und man darf Novak Djokovic nicht abschreiben, auch wenn die Ergebnisse in den letzten Wochen nicht so waren wie sonst. Er hat im vergangenen Jahr Olympia gewonnen. Ansonsten könnten auch Lorenzo Musetti oder Casper Ruud weit vorne landen. Ich schätze aber Alcaraz und Sascha am stärksten ein.

Sie haben gegen all diese Spieler bereits gespielt. Wer war der unangenehmste Gegner?

Für mich war Novak am schwersten.

Sie haben gegen ihn sieben Mal gespielt und immer verloren…

Ja, er kontert sehr viel, macht keine Fehler, spielt gute Returns. Das ist schon sehr schwierig.

Dafür haben Sie gegen Alcaraz und auch gegen Zverev je einmal gewonnen

Ja, das gegen Zverev war 2019 in Indian Wells. Davor habe ich ein paar Mal gegen ihn verloren. Der Sieg gegen Alcaraz war 2021 bei den French Open, als er sein erstes Jahr auf der Profitour hatte. Damals war er erst 18 Jahre alt. Die restlichen drei Spiele habe ich gegen ihn verloren. Es ist trotzdem immer schön, gegen solche Top-Spieler zu spielen.

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Was macht Spiele gegen diese Top-Stars so schwierig?

Im Tennis sagt man immer, dass man bis zum 4:4 relativ gut mithalten kann, doch dann entscheidet sich das Spiel. Diese Top-Spieler sind konstanter und werden in den entscheidenden Phasen noch stärker. Man selber wird vielleicht ein bisschen nervös und macht Fehler. Manchmal liegt der Unterschied zwischen Sieg und Niederlage nur bei ein oder zwei Punkten. Selbst die absoluten Top-Spieler wie Roger Federer damals haben kaum mehr als 50 Prozent der Punkte gewonnen. Aber das waren eben oft die entscheidenden Punkte. Das ist der Unterschied zwischen den absoluten Top-Spielern und den Spielern dahinter.

"Wir sind Einzelsportler, verstehen uns aber gut und unternehmen auch etwas zusammen – gerade wenn wir zusammen im Davis Cup spielen."

Jan-Lennard Struff über sein Verhältnis zu den anderen deutschen Spielern

Wie ist die Verbindung unter den deutschen Profis wie Alexander Zverev, Daniel Altmaier und Ihnen? Sind Sie eine Community oder macht jeder sein eigenes Ding?

Wir verstehen uns grundsätzlich schon sehr gut. Natürlich macht jeder sein eigenes Ding. Wir sind Einzelsportler, verstehen uns aber gut und unternehmen auch etwas zusammen – gerade wenn wir zusammen im Davis Cup spielen. Ich geniesse diese Teamwochen sehr.

Sie waren in den Jahren 2023 und 2024 sehr erfolgreich. 2023 wurden Sie als "Comeback Player of the Year" ausgezeichnet. 2024 gewannen Sie in München Ihr erstes Turnier auf der ATP-Tour. Worauf war dieser rasante Aufstieg zurückzuführen?

Ich würde das auf die konstant harte Arbeit in den Jahren zuvor zurückführen. Da wären wir wieder beim Momentum, das in dieser Phase einfach gepasst hat. Es war toll, dass ich diese ein, zwei Jahre noch einmal erleben konnte, nachdem ich aus den Top-100 bereits rausgefallen war. Wobei auch die Jahre davor teilweise sehr ordentlich waren. Ich habe neun Jahre in den Top-100 beendet, war auch zuvor schon in den Top-40. Das ist eine Karriere, die ich mir früher nie erträumt hätte. Ich war mit 17 Jahren in Deutschland nur die Nummer 30 in meinem Jahrgang.

Struff: "Tennis ist grundsätzlich ein sehr teurer Sport"

Laut der Webseite der ATP haben Sie in Ihrer Karriere Preisgelder in Höhe von mehr als elf Millionen US-Dollar verdient. Das klingt nach einem grossen Vermögen. Wie viel Geld davon landet wirklich auf dem Konto des Sportlers?

Schwer zu sagen, da müsste ich meinen Steuerberater fragen. Vielleicht ein Drittel oder ein Viertel.

Mehr nicht?

Ich wohne in Deutschland. Hier sind die Steuern etwas höher als in anderen Ländern. Hinzu kommt die ausländische Steuer in dem Land, wo ich das Preisgeld verdiene. Tennis ist grundsätzlich ein sehr teurer Sport. Ich habe ein relativ grosses Team mit Trainer und Fitness-Coach. Das ist ein Grund dafür, dass ich mit 35 Jahren überhaupt noch dabei bin. Aber natürlich kostet das viel Geld. Die Reisekosten sind hoch. Die Flüge sind seit Covid extrem teuer geworden. Aufgrund meiner Körpergrösse (1,93 Meter) muss ich Business fliegen, weil ich mich ansonsten am nächsten Tag nicht mehr bewegen kann. Früher habe ich für Hin- und Rückflug nach Australien 3.000 Euro bezahlt, heute sind es 7.000 Euro.

Themawechsel: Sie sind ein grosser Fan von Borussia Dortmund

Das ist richtig, ich bin auch bei ein paar Spielen im Stadion gewesen. Es ist toll, dass der BVB noch die Qualifikation für die Champions League geschafft hat.

"In Deutschland liegt der Fokus nur auf dem Fussball. Das mediale Interesse für andere Sportarten fehlt."

Tennisprofi Jan-Lennard Struff

Wir haben eben darüber gesprochen, dass Sie konstant zu den Top-100 Tennisspielern der Welt gehören. Wären Sie Fussballspieler und würden dort zu den besten 100 Spielern der Welt gehören, wären Sie ein absoluter Superstar und würden mindestens bei Borussia Dortmund spielen – wahrscheinlich aber eher bei Bayern München oder Real Madrid. Fehlt Ihnen im Tennis die öffentliche Anerkennung für Spieler, die nicht zu den Top-10 gehören?

Ich möchte mich jetzt nicht beschweren, weil ich grundsätzlich ein sehr privilegiertes Leben führe. Aber natürlich ist Fussball in Deutschland klar die Nummer 1. Ich bin selber ein grosser Fussball-Fan und schaue mir gerne die Spiele an. Andererseits gibt es viele andere Länder, in denen mehrere Sportarten gleichzeitig funktionieren. In Deutschland liegt der Fokus nur auf dem Fussball. Das mediale Interesse für andere Sportarten fehlt. Früher war das anders, als Boris Becker und Steffi Graf die Nummer 1 waren. Ich habe das Gefühl, dass in unserer Gesellschaft immer nur die Nummer 1 zählt. Eigentlich müsste auch das öffentliche Interesse an Sascha viel grösser sein. Er ist die Nummer 3 der Welt, letzte Woche war er noch die Nummer 2. Er spielt unfassbar gut.

Deutschland hat aktuell mit Zverev, Daniel Altmaier und Ihnen nur drei Spieler in den Top-100. Andere Länder wie Italien sind in der Weltrangliste deutlich stärker vertreten. Sehen Sie einen Grund dafür?

Italien hat ein grosses Masters-Turnier. So etwas hilft. Wobei wir in Deutschland auch tolle Turniere haben, zum Beispiel hier in Hamburg. Wir haben gute junge Spieler, zum Beispiel Justin Engel, gegen den ich gerade verloren habe. Ich hoffe, dass er seinen Weg gehen wird. Aber generell ist es schwierig, nach oben zu kommen. Schule und Leistungssport sind in Deutschland schwer zu vereinbaren. Es gibt wenig Förderungen. Aber ich hoffe, dass wir die jungen Spieler in Deutschland unterstützen und sich die Situation teilweise wieder bessert.

Über den Gesprächspartner

  • Jan-Lennard Struff (Jahrgang 1990) ist ein Tennisprofi aus Deutschland. Im April 2024 gewann er sein erstes Turnier auf der ATP-Tour, als er im Finale von München gegen den US-Amerikaner Taylor Fritz gewann. 2023 erreichte er das Finale der Turniere in Stuttgart und Madrid. Ausserdem spielt Struff für Deutschland beim Davis Cup.