Florian Wirtz hat sich offenbar gegen einen Wechsel zum FC Bayern München entschieden. Das gibt dem Verein die Möglichkeit, die echten Schwachstellen anzugehen.

Eine Analyse
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Der Traum von Uli Hoeness & Co. ist offenbar geplatzt. Die Absage von Florian Wirtz mag für den FC Bayern auf den ersten Blick ein Rückschlag sein. Tatsache ist aber: So richtig ins Spielsystem gepasst hätte der 22-Jährige ohnehin nicht. Wirtz bekleidet als zentraler offensiver Mittelfeldspieler die gleiche Position wie Jamal Musiala.

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Das bedeutet: Der FC Bayern hätte entweder das komplette Spielsystem umstellen müssen - was aufgrund der fehlenden Automatismen mit Risiken verbunden wäre - oder sie hätten Musiala oder Wirtz auf die Flügelposition stellen müssen.

Mehrere Experten hatten daher Zweifel an einer Wirtz-Verpflichtung. Sky-Experte Didi Hamann sagte beispielsweise im Interview mit unserer Redaktion, dass vermutlich Musiala auf den Flügel ausweichen müsste, wo "er nur halb so effektiv ist."

Allerdings gibt es auch andere Meinungen. Der frühere Bayern-Spieler und heutige Moderator Thomas Helmer sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: "Florian Wirtz ist der beste deutsche Spieler. Hätte man ihn bekommen können, hätte man vorne das System eben umstellen müssen." Dennoch möchte Helmer nicht von einem grossen Rückschlag für den FC Bayern sprechen: "Wirtz kommt nicht. Wir werden sehen, wer vielleicht ansonsten kommt."

Weil Wirtz nun offenbar einen Wechsel zum FC Liverpool bevorzugt, spart der FC Bayern viel Geld. Leverkusen hätte wohl eine Ablöse von 150 Millionen Euro gefordert. Zudem hätte Wirtz in München einen Vertrag über vermutlich fünf Jahre mit einem geschätzten Jahresgehalt von 25 Millionen Euro unterzeichnet. Das Gesamtvolumen hätte also bei rund 275 Millionen Euro gelegen.

Allerdings ist es nicht so, dass der FC Bayern dieses Geld frei für andere Transfers ausgeben kann. Wie der "kicker" berichtet, wäre das Geld analog zur neuen Bundesregierung als Sondervermögen eingestuft worden – als Ausgabe für eine erfolgreiche Zukunft.

Mathys Tel & Co. könnten für Transfer-Einnahmen sorgen

Dennoch dürfte der FC Bayern mehr finanziellen Spielraum haben, als dies nach einer Wirtz-Verpflichtung der Fall gewesen wäre. Zumal noch Transfer-Einnahmen möglich sind. Tottenham Hotspur könnte den von Bayern ausgeliehenen Stürmer Mathys Tel fest verpflichten. Die Kaufoption, die laut Medienberichten zwischen 45 und 55 Millionen Euro liegt, könnte den Engländern zwar zu hoch sein. Doch die Ablöse liesse sich frei aushandeln.

Weitere Einnahmen könnten der an CA Osasuna (Spanien) verliehene Bryan Zaragoza, Aussenverteidiger Sacha Boey und Ersatz-Torwart Daniel Peretz bringen. An Letzteren soll laut "kicker" Premier-League-Aufsteiger FC Burnley interessiert sein. Die "Bild" berichtet zudem, dass der niederländische Verein PSV Eindhoven Interesse hat.

Teure Transfers wurden noch nicht getätigt

Bislang hat der FC Bayern für diesen Sommer keine fixen Transferausgaben. Das 19-jährige Mittelfeld-Talent Tom Bischof kommt ablösefrei von der TSG Hoffenheim. Daher kann der FC Bayern das finanzielle Potenzial nutzen, um die Schwachstellen auszumerzen.

"Wenn Leroy Sane geht, sollte man auf dieser Position noch etwas machen", sagt Helmer. Und wie sieht es mit den restlichen Flügelspielern aus? "Michael Olise ist natürlich super eingeschlagen. Aber über Kingsley Coman und Serge Gnabry könnte man sprechen", sagt Helmer.

Gut möglich, dass der FC Bayern bei einem Angebot für Coman und Gnabry gesprächsbereit wäre. In diesem Fall wäre Ersatz erforderlich. Laut der "Sport Bild" gibt es drei Kandidaten: Kaoru Mitoma von Brighton & Hove Albion, Eberechi Eze von Crystal Palace und Rafael Leão vom AC Mailand. Eze spielte in England mit Olise erfolgreich zusammen, sodass die beiden harmonieren dürften.

Tah als Verstärkung für die Defensive

Der Blick von Helmer richtet sich zudem auf die Defensive: "In der Innenverteidigung muss etwas gemacht werden. Mit dem Abgang von Eric Dier haben sie einen Spieler zu wenig."

Jonathan Tah gilt als wahrscheinliche Verpflichtung. Weil sein Vertrag bei Bayer Leverkusen endet, kostet er keine Ablöse. Nur wenn München mit ihm bereits im Juni bei der Klub-Weltmeisterschaft auflaufen möchte, könnte eine geringe Ablöse erforderlich sein.

Doch selbst wenn Tah nach München kommt, gäbe es noch weitere Unsicherheitsfaktoren in der Innenverteidigung. "Wir wissen nicht, was aus Dayot Upamecano wird, ob er möglicherweise zu Paris Saint-Germain geht", sagt Helmer.

Der Vertrag des Franzosen endet im Sommer 2026. Bislang konnten sich Spieler und Verein nicht auf einen neuen Vertrag einigen. Sollte Upamecano München verlassen, würde noch ein weiterer Innenverteidiger benötigt werden.

Helmer empfiehlt einen Backup für Harry Kane

Einen grossen Bedarf sieht Helmer zudem im Sturm: "Wir brauchen nicht über die Qualität von Harry Kane zu sprechen. Ich glaube auch nicht, dass er in der kommenden Saison weniger treffen wird. Aber man bräuchte jemanden dahinter, der ihn entlasten kann."

Das Problem ist nur: "Es ist nicht einfach, einen Stürmer für diese Rolle zu finden. Vom Typus her würde ich Nick Woltemade (VfB Stuttgart) sehr gut finden. Wir haben ihn ja am Samstag im Pokalfinale gesehen. Aber einen jungen Spieler wie ihn bringt es in der Entwicklung nur weiter, wenn er spielt. Beim FC Bayern bekäme er weniger Spielanteile."

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Auf den Aussenverteidiger-Positionen ist Bayern gut aufgestellt. "Konrad Laimer hat es auf der rechten Seite gut gemacht, Josip Stanisic ebenfalls. Auch Joshua Kimmich kann als Rechtsverteidiger spielen", sagt Helmer. "Auf der linken Seite kommt Alphonso Davies nach seiner Verletzung wieder, von daher wird nicht unbedingt ein neuer Linksverteidiger benötigt."

Heisst also: Allzu viele Schwachstellen hat der FC Bayern nicht. Zumindest ein Teil des eingesparten Geldes von dem gescheiterten Wirtz-Transfer könnte der Verein nutzen, um die wenigen Problemzonen zu beheben. Nicht auszuschliessen, dass der deutsche Rekordmeister dadurch noch gefährlicher wird.

Verwendete Quellen: