Die Führungsetage des FC Bayern München gibt in der Öffentlichkeit kein einheitliches Bild ab. Wie ist es zu erklären, dass unterschiedliche Meinungen kundgetan werden?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Oliver Jensen sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Jan-Christian Dreesen hatte eine klare Meinung, als er Anfang Juli auf einen möglichen Transfer von Nick Woltemade angesprochen wurde. "Da bleibt nur ein Satz zu sagen", holte der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München gegenüber "Sky" aus: "Woltemade ist ein Spieler des VfB Stuttgart. Da gehört es sich nicht und da werde ich auch nicht, Diskussionen anheizen zu Spielern anderer Vereine."

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Das Kuriose daran ist: Sein Vorstands-Kollege Max Eberl (Sport-Vorstand) hatte genau dies getan. "Dass wir uns Gedanken gemacht haben, wie der Kader nächste Saison neu aussehen kann, das haben wir bestätigt", hatte Eberl gesagt. "Dass Nick Woltemade einer der Spieler ist, weiss jetzt auch die ganze Welt."

Damit nicht genug: Eberl hatte sogar öffentlich über die mögliche Ablösesumme spekuliert. "Ist Nick Woltemade 80 Millionen Euro wert?", fragte er die umstehenden Journalisten, als er auf die die Theorie von Lothar Matthäus angesprochen wurde, der VfB-Stürmer müsse zwischen 80 und 100 Millionen Euro kosten.

Kurzum: Eberl tat genau das, was sich laut Dreesen nicht gehört. Da stellt sich fast schon die Frage: Reden die Chefs beim FC Bayern überhaupt miteinander? Unstimmigkeiten in der Führungsetage ziehen sich durch die vergangenen zwölf Monate.

Unstimmigkeiten bei Wirtz, Kimmich und sicher geglaubter Meisterschaft

Beispiel Florian Wirtz: Die Aufsichtsräte Uli Hoeness und Karl-Heinz Rummenigge hatten öffentlich um den deutschen Nationalspieler gebuhlt, während Eberl vor dem Duell mit Bayer Leverkusen im Februar sagte: "Ich glaube, das gehört sich einfach nicht, gerade vor so einem Spiel jetzt so eine Thematik aufzumachen." Schlussendlich entschied sich Wirtz für einen Wechsel zum FC Liverpool und gegen die Bayern.

Beispiel Joshua Kimmich: Der Aufsichtsrat zog Ende Februar das Vertragsangebot für den Mittelfeldspieler zurück, weil dieser nach dem Geschmack der Ex-Vereinsbosse zu lange zögerte. Eberl verhandelte weiter, überzeugte alle Parteien und verlängerte den Vertrag schliesslich bis zum Jahre 2029 mit geschätzten 20 Millionen Euro Jahresgehalt.

Auch bei anderen Themen gab es Unstimmigkeiten. Hoeness erklärte bereits im November 2024, dass der FC Bayern die Meisterschaft sicher habe. Eberl schien diese Aussage nicht zu gefallen: "Ich bin aufgewacht und hätte mir auch gewünscht, dass es sicher ist. Aber es ist nicht sicher."

Wie ist es zu erklären, dass innerhalb eines Vereins immer wieser so unterschiedliche Meinungen nach aussen gegeben werden?

Matthäus glaubt, dass Eberl und Hoeness nicht alles absprechen

Der frühere Bayern-Spieler und heutige TV-Experte Lothar Matthäus hatte bereits Ende März den Verdacht geäussert, dass in der Führungsetage des Rekordmeisters nicht ausreichend kommuniziert wird.

"Ich glaube, Max Eberl und Uli Hoeness sprechen nicht alles ab", sagte er gegenüber der "Bild". "Es sieht so aus, als würde die Chemie nicht ganz stimmen, als sei es nicht so harmonisch in der Führung, wie man es sich in einem Unternehmen, das der FC Bayern ja ist, wünscht."

Sky-Experte Didi Hamann hatte sich bei "Sky 90" ähnlich geäussert: "Im Moment ist der Verein schwach. Der Aufsichtsrat und der Sportvorstand sind zu oft unterschiedlicher Meinung."

Julia Simic: "Manchmal steckt Strategie dahinter, manchmal ist es unnötig"

Julia Simic kennt den FC Bayern München gut. Von 2005 bis 2013 war sie selbst als Spielerin für den Verein aktiv. Heute begleitet sie die Geschehnisse als Sky-Expertin. "Ich glaube, auch früher unter der Führung von Hoeness und Rummenigge waren die Aussagen nicht immer einheitlich. Heute liegt nur ein grösserer medialer Fokus darauf, und es wird genau verglichen, wer was gesagt hat", sagte sie im Gespräch mit unserer Redaktion.

"Es war noch nie ruhig um den Verein. Es kamen schon immer viele unterschiedliche Leute zu Wort. Manchmal stecken eine Masche oder eine Strategie dahinter. Hin und wieder ist die Kommunikation aber auch nicht einheitlich – gerade, wenn es eine unerwartete Aussage vom Tegernsee (Wohnsitz von Uli Hoeness, Anm.d.Red.) gibt", so Simic.

"Aber das ist eben der FC Bayern. Für die Medien ist das ein gefundenes Fressen. Aber ich persönlich finde das nicht so dramatisch. Ansonsten wäre es doch fast ein bisschen langweilig."

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Hainer will Eberl und Freund "in Ruhe arbeiten lassen"

Herbert Hainer, der Präsident des FC Bayern München, sieht die Führung des Vereins weiterhin gut aufgestellt. Man könne froh sein, "dass wir einen Aufsichtsrat haben, der einerseits mit Grössen aus der Wirtschaft besetzt ist und andererseits durch Uli Hoeness und Karl-Heinz Rummenigge eine enorm hohe fussballerische Kompetenz hat, auf die andere nicht ansatzweise zurückgreifen können", sagte er in einem aktuellen Interview mit der "Sport Bild". "Aufsichtsrat bedeutet: Aufsicht führen und Rat geben. Das tun wir und sind der Meinung, dass man unsere Sportliche Leitung mit Max Eberl und Christoph Freund jetzt mal in Ruhe arbeiten lassen muss", führte Hainer zudem aus.

Es bleibt spannend, ob dies gelingen wird.

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