Die Defensive des FC Bayern München erwies sich in dieser Saison als anfällig. Doch sind die Verteidiger wirklich die Schwachstelle? Max Eberl sieht keinen zwingenden Handlungsbedarf.

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Die Abwehr war teuer und ist trotzdem löchrig! In kaum einen anderen Mannschaftsteil hat der FC Bayern München so viel Geld investiert wie in die Verteidigung.

Für die Abwehrspieler Hiroki Ito (ca. 23,5 Millionen Euro Ablöse), Minjae Kim (ca. 50 Millionen Euro), Sacha Boey (ca. 30 Millionen Euro) und Dayot Upamecano (ca. 42,5 Millionen Euro) wurden in den vergangenen vier Jahren rund 146 Millionen Euro Ablöse bezahlt.

Bayern vor allem in der Champions League mit vielen Gegentoren

Und doch sind die Verteidiger immer wieder Kritik ausgesetzt – vor allem in der Champions League. Zwölf Gegentreffer kassierte der FC Bayern in den acht Spielen der Ligaphase. Zum Vergleich: Inter Mailand liess nur ein Gegentor zu, der FC Arsenal drei, der FC Barcelona fünf. Beim Viertelfinalaus gegen Mailand wurden vier Treffer in zwei Spielen (1:2, 2:2) zugelassen.

Wettbewerbsübergreifend gelangen im Oktober und November zwar sieben Spiele in Folge ohne Gegentor. Allerdings gab es selbst in der Bundesliga immer wieder Aussetzer: Jeweils drei Gegentore kassierte der FC Bayern allein in diesem Jahr gegen die beiden Absteiger Holstein Kiel (4:3) und den VfL Bochum (2:3), ausserdem Anfang Mai bei RB Leipzig (3:3).

Grosse Verletzungsprobleme in der Abwehr

Sportvorstand Max Eberl ist bewusst, dass die Abwehr oft in der Kritik steht. Die Leistung der Verteidiger sei allerdings schwer zu bewerten, denn: "Wir haben unsere Abwehr nie in dem Masse zur Verfügung gehabt, wie wir sie vor der Saison geplant hatten."

Eberl zählte einige der Verletzungsausfälle auf: "(Josip) Stanisic ist die ganze Hinrunde ausgefallen, Hiroki (Ito) hat die dramatische Saison hinter sich. Jetzt ist Upa (Upamecano) lange ausgefallen. Minjae (Kim) hat seine Themen gehabt. Also ganz objektiv kann man diese Abwehr gar nicht bewerten, weil sie nie wirklich in der Gänze und auch in der Gesundheit der Spieler zusammengespielt hat."

Er verstehe zwar die öffentliche Diskussion, dass der FC Bayern in der Verteidigung unbedingt verstärkt werden müsse. "Aber ich betrachte es ein bisschen anders und versuche, das objektiv zu betrachten."

Personalengpass bei der Klub-Weltmeisterschaft

Sicher ist, dass die Personalprobleme in der Verteidigung Einfluss auf die Klub-Weltmeisterschaft (14. Juni bis 13. Juli) haben wird. Eberl erklärt: "Upamecano kommt aus einer Verletzung zurück, Minjae kommt aus einer Verletzung zurück. Stanisic ist zum Glück jetzt sehr stabil und hat seinen Rhythmus gefunden. Hiroki wird bei der Klub-WM nicht dabei sein. Phonzy (Alphonso Davies) wird nicht dabei sein."

Ob Eric Dier bei dem Turnier in den USA mitmischen wird, ist noch fraglich. Der Innenverteidiger wird seinen Vertrag nicht verlängern. Das Arbeitsverhältnis endet am 30. Juni. Doch die Klub-WM geht über dieses Datum hinaus. "Natürlich wollen wir ihn bei der Klub-WM dabeihaben, aber wir werden mit Eric sprechen und dann schauen, wie wir eine Lösung finden", kündigte Eberl an.

Eric Dier
Eric Dier (M.) wird den FC Bayern verlassen, er wechselt nach Monaco. © picture alliance/dpa/Andreas Gora

Der aktuelle Engpass bedeute allerdings nicht, dass der FC Bayern unbedingt neue Verteidiger verpflichten müsse: "Du willst ja keinen Transfer für die Klub-WM machen, sondern für die Perspektive." Heisst das, dass der FC Bayern im Sommer keinen neuen Verteidiger verpflichtet?

Transfergerüchte: Tah gilt als potenzieller Neuzugang, Kim als Verkaufskandidat

Hartnäckig hält sich das Gerücht, Jonathan Tah könnte ablösefrei nach München wechseln, weil sein Vertrag bei Bayer Leverkusen ausläuft. Laut Informationen der "Sport Bild" könnte sich in den nächsten Tagen entscheiden, ob der deutsche Nationalspieler zum FC Barcelona oder nach München geht.

Sollte Tah verpflichtet werden, könnte möglicherweise ein anderer Verteidiger abgegeben werden. Kim könnte nach einer durchwachsenen Saison ein Verkaufskandidat sein, sagte allerdings gegenüber der "Sport Bild": "Für mich gibt es keinen Grund zu gehen. Ich hoffe, dass ich bleiben kann. Aber wir werden sehen."

Upamecano geht in sein letztes Vertragsjahr. Sollten sich Spieler und Verein nicht auf eine Vertragsverlängerung einigen, könnte auch er ein Verkaufskandidat sein. "Sky" vermeldet allerdings, dass der Franzose in München bleiben möchte und auf eine Einigung hofft. Könnte das Innenverteidiger-Duo der kommenden Saison also aus Upamecano und Tah bestehen?

Hamann wäre von Tah-Verpflichtung nicht "100-prozentig überzeugt"

Sky-Experte Didi Hamann bewertet den potenziellen Transfer von Tah skeptisch. "100-prozentig überzeugt wäre ich von dieser Verpflichtung nicht. In Leverkusen hat er mit Granit Xhaka einen Spieler vor sich, der ordentlich aufgeräumt hat, zudem Robert Andrich. Das wäre in München derzeit anders", sagte er im Interview mit unserer Redaktion. "In Bayern wird viel auf die Innenverteidiger geschimpft. Aber man sollte auch darauf schauen, was die Spieler davor machen. Sie haben diese Probleme nicht erst seit dieser Saison."

Ist es also ungerecht, dass die Verteidiger in der Öffentlichkeit oft als Schwachstelle dargestellt werden? Die Konteranfälligkeit des FC Bayern war in dieser Saison zwar offensichtlich, ist allerdings im Spielsystem begründet.

Meijer erklärt das "kalkulierte Risiko" der Bayern-Defensive

Sky-Analyst Erik Meijer sagte bereits Anfang des Jahres im Interview mit unserer Redaktion: "Wenn du sehr hoch stehst, ist viel Platz hinter dir frei. Das ist ein kalkuliertes Risiko. Kompany hat Spieler, die damit umgehen können. Die Verteidiger, die manchmal von uns so kritisch bewertet werden, müssen in jeder Sekunde hellwach sein. Das ist schwierig."

Dies wäre bereits früher so gewesen, als Pep Guardiola noch der Trainer des FC Bayern (2013-2016) war. "Dort hatten die Innenverteidiger gemeinsam mit dem Sechser ebenfalls die schwierigste Aufgabe. Die Restverteidigung muss immer in Ordnung sein. Wenn diese nicht stimmt, überrennt dich jeder Gegner – nicht nur Top-Gegner wie Bayer Leverkusen, sondern auch andere Mannschaften."

Womöglich würde also jeder Verteidiger beim FC Bayern das eine oder andere Mal unglücklich aussehen.

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